07 Von fremder Hand
schaute sie sich in der Scheune um - offensichtlich hatte sie Garnet als Werkstatt gedient. Alles war ordentlich aufgeräumt, das Werkzeug und das Material, und nichts deutete darauf hin, dass ein Kampf oder ein Einbruch stattgefunden hatte.
Sie ging wieder über den Hof und öffnete vorsichtig die Hintertür des Hauses, wobei sie ein Taschentuch benutzte. Drinnen wurde sie von mehrstimmigem, kläglichem Miauen begrüßt. Im Tageslicht, das durch den Schmutzfilm auf den Fensterscheiben drang, konnte sie drei haarige, zeternde Knäuel auf dem Küchentisch ausmachen. Offenbar hatte niemand daran gedacht, Garnets Katzen zu füttern.
Obwohl sie ungern den Zorn von DI Greely auf sich ziehen wollte, indem sie an dem möglichen Schauplatz eines Verbrechens Spuren verwischte, konnte Gemma dennoch nicht umhin, die primitive Küche so lange zu durchsuchen, bis sie eine Blechdose mit getrocknetem Fertigfutter gefunden hatte. Garnets Ablehnung aller modernen Konsumartikel hatte sich offensichtlich nicht auf Katzennahrung erstreckt. Gemma füllte eine irdene Schüssel mit Futter und stellte auch ein Schüsselchen mit frischem Wasser hin. Befriedigt sah sie zu, wie die Katzen dinierten, doch kurze Zeit später begann sie zu zittern, als die Kälte allmählich durch ihre Kleider drang. Der Holzofen war schon vor längerer Zeit ausgegangen, und die Luft war von dem klammen Geruch kalter Asche erfüllt.
Sie versuchte sich ein Leben vorzustellen, wie Garnet Todd es geführt hatte, doch es gelang ihr nicht. Wie schwierig musste es erst für ein verwöhntes Vorstadtkind wie Faith gewesen sein, das in der Welt des Fernsehens und der sofortigen Bedürfnisbefriedigung aufgewachsen war? Der Gedanke nötigte ihr wieder einmal Respekt vor dem Durchhaltevermögen des Mädchens ab.
Sie knöpfte ihre leichte Jacke zu und sah sich mit unverhohlener Neugier in der Küche um. Die offenen Regale waren gut bestückt mit Grundnahrungsmitteln, aber bis auf Milch, Käse, Butter und Eier konnte sie keine frischen Lebensmittel entdecken. Garnet war zweifellos Vegetarierin gewesen und hatte wohl täglich eingekauft. Auf dem Tisch stand ein sorgfältig mit Alufolie verschlossener Topf. Gemma zog ein Stückchen von der Folie ab, schaute in den Topf und schnüffelte daran. Irgendein überbackener Gemüseauflauf, und er war noch frisch.
In der tiefen, altmodischen Spüle war kein schmutziges Geschirr, und das saubere war zum Trocknen ordentlich auf einem Geschirrtuch abgestellt. Es hatte den Anschein, als habe Garnet wie üblich ihr Abendessen zubereitet - aber was dann? War sie ausgegangen und hatte damit gerechnet, dass sie zurückkommen und den Auflauf mit Faith teilen würde?
Das Motorengeräusch eines Autos, das sich dem Haus näherte, riss sie aus ihrer Grübelei. Sie zog den verschlissenen Vorhang ein Stück zur Seite, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Kincaid mit ihrem Escort in den Hof einfuhr. Als er ausstieg, hatte Gemma für einen Moment das Vergnügen, ihn unbemerkt beobachten zu können. Er wirkte entspannt in seinen Jeans und der alten Fliegerjacke, der Wind zerzauste sein kastanienbraunes Haar, und er bewegte sich mit einer Grazie, die man bei so groß gewachsenen Männern selten findet.
Er schloss das Tor und ging auf das Haus zu, blieb dann aber unvermittelt stehen und heftete den Blick auf den Boden. Neugierig ging Gemma zu ihm hinaus.
Als Kincaid die Tür hörte, blickte er auf und ließ sein charmantes Grinsen aufblitzen. »Hier bist du also. Gut. Aber wie ich sehe, waren Greelys Leute noch nicht hier.«
»Du bist doch sicher noch mal im Haus gewesen.«
»Mm-hmm. Und habe Jacks jungen Freund Carlisle kennen gelernt. Ist dir vielleicht sein Motorrad aufgefallen?«
»Ich habe es bemerkt, ja. Wieso?«
»Ich hatte mal genau so ein Motorrad, bevor ich nach London gezogen bin. Ich war der Schrecken der ganzen Gegend, und meine Eltern waren sicher, dass ich mal an einem Baum enden würde. Jedenfalls« - er kniete nieder und berührte den zerfurchten Boden des Hofs - »würde ich diese Spuren überall wiedererkennen.«
Gemma betrachtete den Boden genauer. Natürlich, er hatte Recht. Die Reifenspuren waren zu schmal für ein Auto, geschweige denn einen Lieferwagen, und sie waren noch frisch. Sie hätte sie nicht übersehen dürfen. »Verdammt. Von wann sind die, was meinst du?«
»Wir müssen herausfinden, wann es zuletzt geregnet hat, aber ich würde sagen, dass diese Spuren
Weitere Kostenlose Bücher