07 Von fremder Hand
Bauernhaus -«
»Nein«, unterbrach ihn Gemma. »Ich mache das. Faith wird Sie sehen wollen, wenn sie aufwacht, und die Bewegung wird mir gut tun. Sagen Sie mir nur, wie ich hinkomme.« Sie verschwieg, dass es in dem Haus inzwischen von Polizisten wimmeln würde und dass sie sich zumindest auf ihren offiziellen Status berufen konnte. Außerdem musste sie zugeben, dass Garnet Todd sie mehr und mehr zu interessieren begann.
»Okay«, sagte Nick schließlich und beschrieb ihr mit knappen Worten den Weg. Mit einem kritischen Blick auf ihre Schuhe warnte er sie: »Es ist allerdings ein ziemlicher Weg da hoch.«
»Ich komme schon klar, keine Sorge«, erwiderte sie amüsiert. Ihre neuen Schuhe hatten etwas höhere Absätze als die, die sie normalerweise während der Arbeit trug, aber ihre Füße waren dergleichen Misshandlungen längst gewöhnt. Während sie nach ihrer Handtasche und ihrer Jacke griff, fiel ihr das Versprechen ein, das sie Faith gegeben hatte. »Übrigens, das Cafe, in dem Faith arbeitet - ist das hier in der Nähe?«
»Auf halbem Weg an der Straße zu Garnets Bauernhof. Sie können es nicht verfehlen.«
An der Tür drehte Gemma sich noch einmal um und wandte sich mit einer letzten Bitte an Nick. »Sie werden doch versuchen, Faith zu diesem Arztbesuch zu überreden, nicht wahr?«
Er schnaubte verächtlich. »Wenn Faith sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man eher den verdammten Tor von der Stelle rücken, als sie davon abbringen. Ich verstehe nicht, wie Garnet es geschafft hat, sie so gefügig zu machen.«
»Vielleicht mit Hypnose?«, meinte Gemma leichthin.
»Oder mit etwas Schlimmerem«, murmelte Nick düster, doch als sie fragend die Augenbrauen hob, schüttelte er nur den Kopf und sagte: »Ist ja auch egal.«
Erst als Gemma Jacks Haus wieder verlassen hatte, merkte sie, wie bedrückend seine Düsterheit auf sie gewirkt hatte. Die meisten Häuser, an denen sie vorüberging, waren wuchtige viktorianische Bauten wie das von Jack, doch nicht wenige wiesen deutliche Anzeichen von Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen auf. Merkwürdig, dass Jacks Mutter so wenig getan hatte, um ihr Heim wohnlicher zu gestalten.
Zur Rechten erhob sich gleich hinter den Gärten die Flanke des Tor, während jenseits der linken Häuserreihe das Land steil zu einer vollkommen horizontalen Ebene hin abfiel.
Bald schon erreichte sie die spitze Kehre, von der Nick gesprochen hatte, und begann die Wellhouse Lane hochzugehen. Gleich darauf erblickte sie den von Zweigen umkränzten Eingang zu dem Fußweg, der zum Gipfel des Tor führte. Sie fand die Aussicht sonderbar verlockend, trotz des unguten Gefühls, das der Berg in ihr auslöste, doch sie beschloss, den Aufstieg auf ein andermal zu verschieben.
Als sie beim Dream Café anlangte, war sie schon etwas außer Atem, und so blieb sie stehen, um den mit Talismanen und Bändchen behangenen Baum im Vorhof zu betrachten. Ihr kam der Gedanke, dass Winnie wohl mit dem Rad zum Café gefahren war; vielleicht hatte sie es ja an eben diesen Baum angelehnt.
Im Inneren des Cafés war es düster und feucht. Van Morrisons Moondance erklang aus einer billigen Stereoanlage, und an den Holztischen saßen einige wenige Gäste beim Essen. Hinter der Theke erblickte sie eine kleine Küche, in der ein schlaksiger Mann mit einem leicht ergrauten Pferdeschwanz arbeitete.
»Sind Sie Buddy?«, fragte Gemma, als sie an der Theke angelangt war.
»Genau der.« Sein Lächeln war freundlich, und er hatte einen leichten amerikanischen Akzent. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich heiße Gemma. Ich bin eine Bekannte von Jack Montfort und zu Besuch aus London -«
»Geht es um Winnie? Sie ist doch nicht -«
»Nein. Winnies Zustand ist unverändert. Faith bat mich, Sie aufzusuchen; sie wohnt zurzeit bei Jack.«
Buddy schien erleichtert. »Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, als sie heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen ist. Ich dachte, das Baby...« Dann runzelte er plötzlich die Stirn, als ihm klar wurde, dass noch mehr dahinter stecken musste. »Warum ist Faith denn nicht bei Garnet? Ist mit Faith alles in Ordnung?«
»Faith ist wohlauf. Es geht um Garnet. Es tut mir sehr Leid, es Ihnen sagen zu müssen - sie ist tot.«
»Tot?« Buddy starrte sie entgeistert an. »Sie machen doch Witze, oder?«
»Es tut mir Leid«, wiederholte Gemma leise. »Ich weiß, Sie waren
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