070 - Schreie des Grauens
Falle. Ich bin gerade noch entkommen."
„Wann wirst du wieder hier sein?"
Es war sicher, daß Coco merkte, daß Dorian hier ein Abenteuer erlebt hatte. Coco, die einstige Hexe, war nicht zu täuschen.
Dorian hatte auch nicht vor, sie zu täuschen oder zu belügen. Aber jetzt war alles noch zu frisch; er konnte noch nicht darüber sprechen.
„Es wird noch ein paar Tage dauern", erwiderte er.
„Miß Martha bringt uns jeden Tag die neuen Folgen der Comic strips. Du bist nicht gerade zu einer liebenswerten Gestalt geworden, Liebster."
„Auch das hat bestimmte Gründe", sagte er. „Ich rufe an, wenn ich meinen Flugtermin kenne. Ja?" „Ist alles in Ordnung, Dorian?"
Coco war besorgt. Auch sie schaute die Bilder an und konnte sich vorstellen, was hier in München passiert war. Sie würde nicht alles wissen, aber ihr Mißtrauen war gerechtfertigt. Auch dies war ein großer Teil des Planes von Hekate. Sie wollte Dorians Glück vernichten, indem sie die wenigen Menschen, die ihn mochten, verunsicherte.
„Es ist alles in Ordnung, Coco. Ich muß nur noch einige Dinge abschließen. Drei Tage, vielleicht vier, dann bin ich wieder in London."
Sie fragte besorgt: „Bleibst du in diesem Hotel?"
„Mit Sicherheit. Neuigkeiten?"
„Nein. Nichts Besonderes, Liebster."
„Schön."
Er tauschte mit ihr noch einige unverbindliche Sätze aus, dann legte er auf.
Dorian blieb stehen und starrte das Telefon an. Hekate hatte einen großen Sieg über ihn ausgefochten. Sie war, trotz allem, die Siegerin. Sie hatte vorausgeplant, daß Maria Renata nicht die große Liebe des Dämonenkillers war. Und indem sie Coco verunsicherte, begann sie am Glück Dorians zu nagen und leitete die langsame Zerstörung ein.
Dorian konnte München nicht verlassen, ohne die Trümmer hinter sich wenigstens ein wenig aufgeräumt zu haben. Seine erste Fahrt brachte ihn wieder in die Klinik.
Es war ein Zweibettzimmer. Hinter einem Wandschirm lag Mata. Sie schlief oder war bewußtlos. Die ältere Schwester neben Dorian klappte einen Ordner auf und flüsterte: „Sie hat hohes Fieber.
Ein Nackenwirbel ist angebrochen, deswegen dieses Korsett."
Mata lag starr und langgestreckt in dem Krankenbett. Ihr Oberkörper war mit breiten, gepolsterten Gurten stillgelegt. Von den Schlüsselbeinen bis zu den Ohren steckte sie in einem Gipsverband. Das Gesicht sah rührend klein und verletzbar aus. Die Augen waren geschlossen. Die Kranke atmete kaum wahrnehmbar.
„Was weiß man über den Schock?"
Die Schwester hob die Schultern. Sie blieb neben dem Bett stehen und griff nachdem Puls. „Vielleicht übersteht sie es. Wollen Sie mir nicht sagen, was passiert ist?"
Dorian nickte und blickte die Fieberkurve an.
„Ich bin sicher. Die Druckstellen, die Wunden am Hals und an den Rippen sind nicht besonders schlimm. Doktor Siegmund sagt, daß auch der Wirbel keine schlimme Sache ist. Nur das Fieber macht uns Sorgen - und der Schock. Schlaf, denken wir, ist das beste."
„Wie lange schläft sie schon?"
„Praktisch seit der ersten Spritze gestern nacht. Kommen Sie! Hier gibt es nichts mehr zu sehen." „Augenblick!"
Dorian blickte Mata an. Sie lag da wie eine Tote. Einen Augenblick lang tauchte die widerliche Vision eines weiblichen Wiedergängers auf, aber Dorian schob sie schnell zur Seite. Mata würde noch Tage oder vielleicht Wochen brauchen, bis sie wieder dieses Bett verlassen konnte. Vielleicht schafften es Ruhe und Schlaf, den Schock abzubauen.
Der Schock war nichts anderes als die Reaktion auf ein Jahr, in dem sie mit den letzten Reserven versucht hatte, seelisch und körperlich zu überleben. Vorsichtig strich Dorian mit dem Handrücken den nackten Arm entlang und drehte sich dann entschlossen um.
„Danke", sagte er heiser flüsternd. „Gehen wir!"
Er gab einen Bericht ab, der nichts richtig erklärte und niemanden belastete, aber er hielt sich, soweit möglich, an die Realitäten. Er wollte nicht, daß sich jemand anderer als die Schwestern und die behandelnden Ärzte mit diesem Fall beschäftigten. Er schrieb einen Scheck aus und gab ihn in der Verwaltung ab, nannte die notwendigen Daten ein zweites Mal und verließ das Krankenhaus.
Im Hotel packte er seinen Koffer, wartete einige Stunden und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Dann sprang er plötzlich auf und verließ das Haus. Den Weg kannte er.
Langsam wanderte er durch das erwachende Vergnügungsviertel bis zum Rand des Englischen Gartens. Etwas trieb ihn zu dem Jugendstilhaus. Hoffte
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