0700 - Para-Hölle Spiegelwelt

Titel: 0700 - Para-Hölle Spiegelwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa

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brauchte ich auch nicht mehr wider das Böse zu predigen. Wahrhaftig, du bist ein würdiger Nachfolger von Leonardo deMontagne! Als wäre er in dir wiedergeboren worden, nach fast einem Jahrtausend!«
    »Pack deine Brocken und troll dich. Du hast eine Stunde Zeit. Ab jetzt.«
    »Was ist, wenn ich hier bleibe?«
    »Du wirst es erleben und dir wünschen, gegangen zu sein«, sagte Zamorra kalt.
    »Du kannst mich nicht einschüchtern, mein Sohn«, erwiderte Pater Ralph. Zamorra konnte nicht feststellen, ob die Ruhe des Mannes nur gespielt war.
    »Ich werde nicht gehen«, fuhr der Pater fort. »Ich gehöre zu diesem Ort und zu diesen Menschen. Ich bin hier verwurzelt.«
    »Verwurzelt«, murmelte Zamorra. »Das kannst du haben, Pfäfflein.«
    Er hielt plötzlich sein Amulett in der rechten Hand. Mit der linken zeichnete er Symbole in die Luft, die zu glühen begannen und sich auf Pater Ralph zu bewegten. Auch das Amulett glühte auf. Mit zwei Fingern verschob Zamorra, ohne hinzusehen, in routinierter Bewegung einige der erhabenen Hieroglyphen, die die handtellergroße Silberscheibe verzierten.
    Magie erwachte.
    Ein in düsterem Grau flirrendes Nichts hüllte den Pater sekundenlang ein, und die glühenden Symbole flogen so schnell auf ihn zu, dass er sich weder rechtzeitig bekreuzigen noch ein Gebet sprechen konnte.
    Dann war alles wieder verloschen.
    Zamorra ließ das Amulett wieder unter seiner Jacke verschwinden.
    Derweil begannen sich die Beine des Geistlichen zu verändern. Sie trieben Wurzeln aus, die sich in den Boden gruben und darin verankerten. Innerhalb weniger Augenblicke war der Pater im wahrsten Sinne des Wortes verwurzelt. Er war nicht mehr in der Lage, die Stelle, an der er sich befand, zu verlassen…
    Unwillkürlich versuchte er sich zu bücken - aber seine Beine waren bis über die Knie hinaus wie starres, hartes Holz geworden und machten es ihm fast unmöglich, so weit hinunterzukommen, dass er mit den Händen versuchen konnte, sich auszugraben. Aber die Wurzeln reichten schon längst viel tiefer in den Boden als seine Arme lang waren…
    Zamorra nickte ihm höflich zu und zeigte ein wölfisches Grinsen.
    »Viel Spaß bei deiner nächsten Predigt, kleiner Narr«, sagte er. »Vielleicht solltest du sie auch ein wenig feuriger gestalten.«
    Er zog eine Packung Zigaretten aus der Innentasche seiner Jacke, pflückte eines der weißen Stäbchen heraus und setzte es auf altmodische Art mit einem Zündholz in Brand. Während er einen ersten Zug nahm, warf er das Zündholz dem Pater vor die Füße.
    Die Flamme leckte nach dem Holz der Wurzeln.
    Aber sie erlosch rasch wieder; das Zündholz brannte nicht lange genug, um der Flamme genügend Kraft zu geben. »Na so etwas«, tadelte Zamorra. »Nicht mal das Feuer will etwas von dir wissen.« Dann wandte sich um und ging davon, genussvoll rauchend.
    In stummer Verzweiflung sah Pater Ralph ihm nach.
    ***
    Die vier Männer bestanden vorwiegend aus beachtlichen Muskelpaketen. Pascal Lafitte traute jedem von ihnen zu, dass er ein Klavier im Alleingang die Treppen bis zum obersten Turmstübchen hinauftrug. Allerdings - dumm waren die vier nicht.
    »Ich glaub's nicht«, behauptete einer von ihnen. »Du planst doch ’ne krumme Sache, Capitaine. Doppelgänger? Wer soll das glauben? Wie sollen die denn hier herein gekommen sein? Wir haben doch alles unter Kontrolle, und es gibt die Überwachungskameras und…«
    »Offenbar gibt es doch eine Möglichkeit, unbefugt einzudringen«, unterbrach Lafitte ihn. »Wenn du mir nicht glaubst, kannst du dich gern überzeugen. Komm her.«
    Er winkte den Mann, der wie die drei anderen einen schwarzen Overall trug, zum Visofon und aktivierte es durch Zuruf. Die Verbindung zu dem Raum, in dem Lafitte eben noch mit Nicole Duval gesprochen hatte, kam sofort zustande; sie nahm den Anruf entgegen.
    »Verzeihen Sie die Störung, Mademoiselle Duval, aber hier möchte jemand nicht glauben, dass Doppelgänger im Haus sind.«
    »Er wird wohl glauben müssen«, erwiderte sie.
    »Das denke ich auch.« Lafitte unterbrach die Verbindung und schuf im gleichen Moment eine andere, die als stiller Anruf das Zimmer zeigte, in dem sich die beiden Eindringlinge gerade aufhielten.
    »Noch Fragen?«
    »Das ist unglaublich«, stieß der Muskelmann hervor. »Diese Ähnlichkeit… und du bist absolut sicher, Capitaine, dass du uns auf die richtigen Leute hetzt?«
    »Ich hetze euch auf die falschen -auf die Doppelgänger. Jetzt los. Keine Zeit verlieren!«,