0708 - Verliebt in eine Tote
konnte. Er trug eine kurze, weiße Hose und auf dem Kopf ein ebenfalls weißes Käppi, das einen gefärbten Schirm besaß, den er nach vom kippen konnte. Seine Figur entsprach dem Idealbild eines Bodybuilders, die blonden Haare waren kurz geschnitten, und er erinnerte mich an den Schauspieler Dolph Lundgren.
In seiner Bude, wo wir uns gegenübersaßen, war es stickig. In der Wand befand sich ein kleines Fenster, und hinter der Scheibe sah der Himmel aus, als wäre er in Blut getaucht worden, denn diesen Eindruck vermittelte die untergehende Sonne.
»Noch einmal, Mr. del Ray. Was genau haben Sie gesehen?«
Er blies die Wangen auf und pustete. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich sah nichts.«
»Sondern?«
»Die beiden Chinesen haben den anderen weggeschafft. Als ich ihnen Fragen stellte, erklärten sie mir, daß ihrem Freund schlecht geworden sei. Ich habe ihnen geglaubt, warum auch nicht? Ich holte dann seine Sachen aus der Kabine, übergab die Kleidung den Freunden und ließ sie gehen. Das ist alles.«
Ich war nicht zufrieden. »Es hat Sie also nicht mißtrauisch gemacht, daß plötzlich jemand umfällt und von zwei Männern weggeschleppt wird?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
Er hob die Schultern. »Was soll ich Ihnen dazu sagen, Mr. Sinclair? Bei einer derartigen Hitze kommt es öfter vor, daß jemand die Sonne nicht vertragen kann und sein Kreislauf zusammenbricht. Ich will nicht sagen, daß dies normal ist, aber viele Menschen sind einfach zu unvorsichtig und legen sich in die pralle Sonne. Das kann Ihnen jeder Arzt bestätigen, Mr. Sinclair.«
»Nur ist mein Kollege nicht irgendwer, außerdem lag er nicht in der Sonne, sondern unter einem Baum, der bekanntlich Schatten spendet, wie Sie mir selbst berichtet haben.«
»Ja, das stimmt. Aber auch diese dumpfe Luft kann nicht jeder vertragen, Mr. Sinclair.«
»Mein Freund schon.«
»Das kann ich nicht beurteilen.« Er hob die Schultern. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich sah. Alles andere können Sie vergessen. Es ist nun mal so, Mr. Sinclair.«
»Sie haben sich auch nicht um die beiden Chinesen gekümmert, die meinen Kollegen wegtrugen?«
»Nein.«
»Sie kennen keine Namen?«
Er schaute sehr erstaunt. »Warum hätte ich sie danach fragen sollen, wenn sie doch Erste Hilfe leisteten. Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr sagen, Sir. Und jetzt lassen Sie mich bitte an die Arbeit. Ich muß hier noch einiges kontrollieren und aufräumen.«
»Ja, natürlich.« Ich verließ als erster die Bude und schaute gegen den dunkelrot gewordenen Himmel.
Die blutigen Strahlen hatten sich auch auf den Wasserflächen der Becken verteilt und gaben dem Schwimmbad ein schauriges Aussehen. Bis auf die drei Bademeister, einigen Putzfrauen und mich war es leer. Man konnte sich verloren vorkommen, und ich schaute zu den Bäumen hin, die eine schräge Liegewiese im hinteren Teil begrenzten.
Dort war es passiert. Genau dort oben war Suko erwischt und entführt worden.
Von zwei Chinesen!
Ich wußte nicht, was dahintersteckte, ich kannte mich zudem bei ihnen nicht aus, sie lebten zwar in London, aber sie bildeten zugleich einen Staat im Staate, in den kein Fremder hineinkam, so sehr schotteten sie sich ab.
Und jetzt hatten sie Suko geholt.
Ich war mißtrauisch geworden, als er am späten Nachmittag noch nicht zurückgekehrt war, hatte dann von mir aus die Initiative ergriffen und war zum Freibad gefahren.
Suko war nicht mit seinem Wagen gekommen, er hatte die U-Bahn genommen, und ich war eigentlich sicher gewesen, ihn zu finden, hatte dann jedoch erfahren müssen, daß er entführt worden war.
Für mich gab es keine andere Alternative als eben diese Entführung.
Freiwillig hätte sich Suko nicht verdrückt. Er hatte auch keinen Hitzschlag bekommen. Suko gehörte zu den Menschen, bei denen die Vernunft an erster Stelle stand. Er würde einen Teufel tun und sich in der prallen Sonne braten lassen.
Chinesen hatten ihn also.
Aber welche, zum Henker?
Ich wußte es nicht, ich konnte es nicht sagen. Es mußten meiner Ansicht nach diejenigen sein, die nicht eben auf unserer Seite standen, sondern außerhalb.
Triaden!
Ich hatte sofort daran gedacht und auch an die Auseinandersetzungen, die wir im letzten Winter mit ihnen gehabt hatten. Wie brutal und gefährlich diese Bande war, wußte ich. Viele hielten sie für noch schlimmer als die Mafia.
Das konnte ich nicht behaupten, ging davon aus, daß sich beide in nichts nachstanden.
Ich sah
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