071 - Der Hexer mit der Schlangenhand

ein hypermodernes Instrumentenpult, wie man es
sonst nur in Großcomputeranlagen fand.
    Der Blinde
war niemand anders als David Gallun. Seinen Mitarbeitern war er jedoch nur als
X-RAY-1 bekannt. Er war es gewesen, der die PSA ins Leben gerufen und zu ihrer
heutigen Größe ausgebaut hatte. Dabei kannten ihn seine Agenten nicht; von
seinem Büro aus hielt er telefonisch und über Funk Kontakt mit ihnen.
    Aus einem
Schlitz im Schreibtisch schob sich leise eine aluminiumfarbene Folie, die mit
Blindenschriftzeichen bedruckt war. Ein akustisches Signal machte David Gallun
darauf aufmerksam.
    X-RAY-1
tastete die Folie ab. Sie war nicht dazu angetan, seine Besorgnis zu lindem.
    Vor vier
Stunden hatte die englische Regierung ihn um Mitarbeit gebeten. Die PSA
arbeitete über alle Landesgrenzen hinweg; Nationen oder Nationalitäten spielten
keine Rolle für sie. Wer durch einen Vorgang in Not geriet, den man grob mit
»außergewöhnlich« bezeichnen konnte, durfte der Hilfe der PSA sicher sein.
    David Gallun
konzentrierte sich wieder auf den ersten Bericht. Danach war aus einem Londoner
Museum, das erst kürzlich in China gefundene, prähistorische Artefakte
ausstellte, ein steinernes Schlangenidol gestohlen worden. Normalerweise kein
Fall für die PSA - wenn nicht mehrere Augenzeugen übereinstimmend ausgesagt
hätten, daß diese Steinschlange zum Leben erwacht wäre und drei Wachtposten
getötet beziehungsweise schwer verletzt hätte.
    Der Dieb war
mit der Schlange spurlos verschwunden. Zum Glück hatte man ihn durch einen
Freund, der ihn begleitet, aber keine gemeinsamer Sache mit ihm gemacht hatte,
schnell identifizieren können. Die sofort ausgelöste Ringfahndung hatte jedoch
keine Ergebnisse gebracht - bis jetzt. Die zweite Meldung die in der PSA-Zentrale
eintraf, lautete schon anders, denn inzwischen hatte man den Dieb gefunden.
    Tot! Der
Körper war unnatürlich starr. Man hatte sofort eine Autopsie angeordnet und war
auf Reste eines bislang unbekannten, hochkonzentrierten Giftes gestoßen, das in
Sekundenschnelle tödlich wirkte, den Körper lähmte und versteifen ließ.
    Scotland Yard
hatte folgerichtig die Psychoanalytische Spezialabteilung alarmiert.
    Und wenn
David Gallun jeden Fall, der auf das Einwirken einer übernatürlichen Macht
schließen ließ, routinemäßig untersuchen ließ, so zeigte er für diesen
besonderes Interesse, denn die Fundstelle der Artefakte war mehreren
chinesischen Überlieferungen zufolge der Sitz einer uralten, magischen
Glaubensgemeinschaft gewesen, die noch bis in die schriftlich niedergelegte
Frühzeit ihren unheilvollen Einfluß im Reich der Mitte ausgeübt hatte. Bis sie
dann in einem Blutbad ohnegleichen von der geknechteten und ausgepreßten
Landbevölkerung ausgemerzt worden war. Da man die Kultgegenstände der Sekte
nicht vernichten konnte, selbst unter Einsatz von Feuer und Stein nicht, hatte
man sie in eine Höhle gelegt und diese dann durch einen Erdrutsch verschlossen.
    In den
Archiven der PSA war ausführlich darüber nachzulesen. Als durch die mehr oder
minder offiziellen Informationskanäle durchsickerte, daß man bei
Ausgrabungsarbeiten auf die Überreste eben jener Kultgegenstände gestoßen war,
schickte X-RAY-1 sofort seinen besten Mann aus: Larry Brent. Er sollte sich an
Ort und Stelle davon überzeugen, ob eine Gefährdung für die Jetztzeit
ausgeschlossen war.
    Dies war vor
knapp einem Jahr gewesen. Larry Brent alias X-RAY-3 hatte einen Bericht
abgeliefert, einen merkwürdig kurz gehaltenen Bericht, in dem nur von einigen
harmlosen Steinidolen die Rede war. Fünf Monate waren verstrichen, in denen die
Artefakte katalogisiert und eingeordnet Wurden, dann waren sie drei Monate lang
in Peking ausgestellt worden, bevor sie nun leihweise in London zu sehen waren
- als Teil eines Kulturaustausches zwischen den beiden Regierungen.
    Und plötzlich
war eines dieser Idole zum Leben erwacht und hatte den Tod von bislang drei
Menschen auf dem Gewissen. Genau diese Idole, die X-RAY-3 als völlig
ungefährlich eingestuft hatte!
    Hatte Larry
Brent sich so getäuscht - oder war er absichtlich in die Irre geführt worden?
    Noch mal
griffen David Galluns nervige Finger nach dem Streifen und ertasteten die
Blinden-Zeichen. Jeder Zweifel war ausgeschlossen. In London ging etwas vor,
das sich die normale Wissenschaft nicht erklären konnte. Die PSA mußte
unbedingt eingreifen, die Angelegenheit schnell geklärt werden.
    David Gallun
atmete tief durch. Es war erstaunlich, woher der