0718 - Geheimmission der Frauen
Strecke gebracht wurde. Du bist etwas dumm. Naja, Bandarbeiterin."
„Aber ich kann gut Suppen kochen!" sagte sie mit unbewegtem Gesicht. Ein irrsinniger, selbstmörderischer Impuls griff nach ihr. Sie wollte diesem Ekel vor ihr den schalen Kaffee ins Gesicht schütten, den Tisch umkippen und kreischend aus der Cafeteria stürzen. Aber sie dachte an die Verantwortung und daran, welche Pläne sie in der letzten Regierungsversammlung diskutiert hatten, und beherrschte sich. Es fiel ihr schwer. „Was würdest du tun", fragte sie hartnäckig weiter, „wenn du ein Kranker wärst und vor der Polizei und den Outsidern flüchten müßtest?"
„Ich bin kein Kranker."
Sie resignierte. Der Hund wedelte mit seinem schmutzigen Schwanz. Es gab wieder eine Staubwolke.
Der Mann, neben dessen Stuhl der Hund sich jetzt auf die Hinterbeine hob und in possierlicher Art die Vorderbeine bettelnd bewegte, starrte kurz nach unten, dann holte er, ohne daß sich sein Gesichtsausdruck veränderte, mit dem rechten Bein aus und versetzte dem Tier einen Tritt.
Der Hund jaulte auf.
Er wurde hochgeworfen, überschlug sich mit strampelnden Beinen in der Luft und schlitterte, nachdem er aufgeprallt war, heulend und wimmernd über den glatten Boden. Er prallte gegen ein Bein des Stuhles, auf dem der blondhaarige junge Mann saß, und wurde herumgedreht. In einer weiteren Staubwolke blieb er jaulend vor Nayns Stiefel liegen.
Nayn bückte sich, packte das Tier und hob es hoch. „Warum tust du das?" fragte der Mann und wedelte mit seiner Hand vor dem Gesicht. Der Hund staubte wieder. Aus dem schmerzlichen Jaulen wurde ein Knurren und dann ein wohliges Grunzen, als Nayn das Tier streichelte. Dann nahm sie ihren Teller mit dem halben Stück eines rechteckigen, grünen Kuchens und stellte ihn auf den Boden. „Der Hund tut mir leid!" sagte sie.
Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Wieder staubte es. Der junge Mann starrte Nayn an, als habe sie drei Augen. „Er tut dir leid?" fragte er gedehnt. „Warum?"
„Weil man ihn getreten hat. Wenn ich dich trete, jaulst du auch", sagte sie deutlich. „Das kann ich dir versprechen."
Der Hund fraß schmatzend den Kuchen. Unter dem struppigen, staubigen Fell hatte Nayn die dürren Rippen gespürt. Das Tier schien halb verhungert zu sein. Der Mann ihr gegenüber blickte noch immer verwundert. Er dachte langsam, aber er dachte gründlich. Schließlich, als die Zunge des Tieres über den Teller fuhr und ihn klappernd kippte und schaukeln ließ - inzwischen blickten mindestens zwanzig andere Gäste der Cafeteria aufmerksam in Nayns Richtung - ,sagte er: „Das ist ein Tier!" Es klang wie ein Vorwurf. „Richtig. Ein Hund. Ich weiß. Trotzdem hat das Tier Hunger, und wenn es getreten wird, dann tut es ihm weh."
„Du hast... wie heißt das Wort...?"
„Mitleid", half sie aus. „Richtig. Mitleid. Ich habe es irgendwo gelesen. Kein Gesunder hat Mitleid mit Tieren. Sie sind sekundär. Unwichtig. Sie dienen keinem Zweck. Bist du eine Kranke?"
Mißtrauen glomm in seinen Augen auf. Er bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl. Aber noch schien er nichts zu ahnen. Nayn wußte nicht, was sie von allem halten sollte. Der Hund gab seine fruchtlosen Versuche auf, die Glasur des Tellers abzulecken und kauerte auf den Hinterbeinen, zitterte und bewegte die Vorderbeine, als wolle er sich bedanken. Inzwischen blickten mindestens dreißig oder mehr Personen auf den jungen Mann, das Mädchen und den struppigen Hund. Nayn bückte sich halb, streichelte den Kopf des Tieres und sagte: „Warum starrst du mich so an?"
Der junge Mann schob seinen Stuhl zurück und erhob sich halb. „Du fütterst ein Tier. Einen Hund, der nicht einmal Fleisch gibt. Du bist nicht normal."
Das eisige Gefühl verstärkte sich.
Nayn dachte an die Mission, den Mißerfolg und die Waffe im Gürtel. „Ich bin normaler als du!" sagte sie. „Treffen wir uns heute?"
Er blickte sie verwirrt an. In seinem Gesicht arbeitete es. „Ich weiß nicht. Du mußt krank sein. Nur Kranke haben Mitleid. Gesunde streicheln keine Hunde!"
Der Hund bellte durchdringend. Der junge Mann sah ihn an, dann packte er ihn am Fell im Nacken, riß den Arm hoch und warf den Hund durch die offene Tür. Das Tier überschlug sich.in der Luft, prallte gegen die Glasscheibe und flog über die Brüstung. Man hörte ein Heulen, dann ein langgezogenes Wimmern und einen harten, krachenden Schlag. Das Wimmern riß ab. „Du Schinder!" sagte Nayn. Sie stand langsam auf, holte aus und schlug
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