0718 - Geheimmission der Frauen
Signalknöpfe. Aus den Läden sprangen die Verkäufer oder Kunden und begriffen nicht, worum es ging. Aber immer wieder schrie jemand: „Eine Kranke! Dort rennt sie! Polizei! Eine Kranke ...!"
In diesen Sekunden, in denen sie im Zickzack zwischen den Passanten und Neugierigen entlangrannte, begriff Marhola, daß der Begriff krank mit Verbrecher gleichgesetzt wurde. Die Aphiliker verfolgten jeden, der nicht so war wie sie.
Und jetzt verfolgten sie Marhola.
Sie erreichte die nächste Brücke, sprang hoch und trat mit einem Fuß gegen die Brust eines Mannes, der mit einem Knüppel ausholte. Der Mann schrie auf und kippte nach hinten, die Waffe wirbelte durch die Luft und flog im hohen Bogen, sich immer wieder überschlagend, nach unten auf die Gleiterpiste.
Dann warf sich die Fremde herum und stürmte über die Brücke.
Mit heulender Sirene stieß der Polizeigleiter schräg nach oben und nahm direkten Kurs auf Marhola. Sie griff unter die Jacke und fühlte den Paralysator zwischen den Fingern. Während sie auf die Bäume des weit entfernten Parks zulief, entsicherte sie die Waffe.
Das Geschrei hinter ihr wurde leiser, je weiter sie sich in ihrem rasenden Lauf von dem Platz entfernte. Sie rannte kleine Treppen aufwärts und abwärts, stob über schmale Stege, sprang über geparkte Gleiter und schoß wie ein Pfeil zwischen nichtsahnenden Passanten hindurch.
Aber die Sirene wurde lauter.
Eine zweite ertönte. Dieses Geräusch kam aus einer anderen Richtung und wurde ebenfalls deutlicher und lauter. Marhola begann zu ahnen, daß sie verloren hatte. Wohin sollte sie flüchten? Zurück ins Hotel? Das würde dem Verrat an ihren drei Freundinnen gleichkommen.
Sie hatte jetzt einen Platz zwischen zwei Häusern erreicht. Unter ihren Sohlen gab es nichts als dürres und staubiges Gras. Sie blieb stehen und zielte mit dem Paralysator auf den näher kommenden Gleiter der ersten Polizeistreife. „Ich schaffe es trotzdem!" murmelte sie und drückte ab.
Zwei Schüsse lösten sich aus der Waffe. Als einer der Beamten aus dem offenen Gleiter zu feuern begann, handelte die junge Frau abermals. Sie holte Luft und rannte geduckt, immer wieder die Richtung wechselnd, auf den Gleiter zu. Sie achtete nicht auf den Weg, sondern heftete ihren Blick starr auf die Männer hinter der Scheibe. Ununterbrochen spie ihre Waffe gebündelte Paralysestrahlen aus. Dann sprang Marhola wie ein Torero zur Seite und ließ den Gleiter neben sich vorbeirasen. Drei Schüsse trafen die Polizisten im Innern der Maschine.
Der Gleiter schlug einen seltsam kreiselnden Kurs ein und setzte auf, wurde ruckartig abgebremst und stieß mit einem dumpfen Dröhnen an einem Baumstamm. Aber in derselben Sekunde, in der Marhola nach oben blickte und den Arm hochriß, traf sie der Schuß aus einem kleinen Narkosegeschütz.
Der zweite Gleiter senkte sich wie ein Raubvogel auf die Grasfläche herunter. Der Schütze feuerte noch einen weiteren Schuß auf den zusammenbrechenden Körper Marholasab.
Der Gleiter setzte dicht neben Marhola auf. Das Gras staubte. Vier Männer sprangen aus der Maschine. Das Wimmern der Sirene schraubte sich die Tonleiter abwärts und erstarb in einem Brummen. Mit gezogenen Strahlern näherten sich zwei Polizisten. „Ein Mädchen!" knurrte der eine. „Und dazu noch mit einem atemberaubenden Körper. Sie soll eine Kranke sein, ja?"
„Keine Ahnung."
„Los, in den Gleiter. Ins Präsidium mit ihr!"
„Wird sich herausstellen, ob sie krank ist."
Marhola wurde hochgerissen und auf die Rücksitze des Gleiters geworfen. Inzwischen waren die Verfolger heran und begannen auf die Polizisten einzureden. „Wird sich herausstellen, ob sie krank ist."
„Könnte sein. Denkt an den Überfall draußen am Raumhafen."
„Gleichgültig. Erst einmal weg mit ihr. Die Arbeit wird aufgehalten."
Der Chef dieses Polizeitrupps deutete auf den Gleiter, der mit brummender Maschine noch immer vor dem Baumstamm schwebte und gegen dieses Hindernis ankämpfte. Laut sagte der Offizier: „Ihr kümmert euch um diesen Gleiter. Kommt damit zurück ins Präsidium. Wir fliegen los!"
„Verstanden."
Auf den Gesichtern der Umstehenden, die sich nur langsam und zögernd zerstreuten, ging ein Wandel vor sich. Eben noch waren sie durch die Sensation aus ihrer kühlen Unbeteiligtheit gerissen worden, jetzt aber, als die Aufregung vorbei war, wurden sie alle wieder zu Wesen, die an ihrem Nachbarn nur soviel interessiert waren, wie es die Notwendigkeit erforderte. Schweigend
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