072 - Die Rache des Magiers
auf seinem Terminplan, für die Marie etwas zu organisieren gehabt hätte. Es war ausgesprochen ruhig.
Die Frau des Chauffeurs, eine junge Französin, war für die Hausarbeiten und das Kochen zuständig. Die groben Putzarbeiten besorgte eine Zugehfrau. Der Gärtner hielt das Grundstück und das Haus instand. Marie Walter führte gewissermaßen die Oberaufsicht, denn Kronberger hatte weder Zeit noch Lust, sich um solche Dinge zu kümmern.
Marie hörte Yvonne, die Frau des Chauffeurs, im Haus rumoren. Noch bevor sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte, kam Yvonne in die Küche, eine Zigarette im Mundwinkel.
Die junge Französin war groß, hatte schwarzes Haar, hohe Backenknochen, schräge Augen und einen breiten Mund. Ihr Busen war groß, ihre Hüften breit. Sie war achtundzwanzig, zehn Jahre jünger als ihr Mann, und Marie hatte sich schon oft gefragt, was sie und den biederen Albert zusammengebracht hatte.
Yvonne blieb manchmal nächtelang weg. Wenn sie dann zurückkam, brüllte Albert mit ihr und prügelte sie, daß sie oft tagelang blaue Flecke hatte. Doch sie versöhnten sich immer wieder und blieben zusammen.
„Haben Sie einen Kaffee für mich, Marie?“
Yvonne sprach mit stark französischem Akzent, obwohl sie bereits fast zehn Jahre in Deutschland lebte. Sie nahm eine Tasse aus dem Schrank, und Marie schenkte ihr ein. Die beiden Frauen saßen sich am Küchentisch gegenüber.
„Edgar scheint ja wieder an den schönen Dingen des Lebens Geschmack zu finden“, sagte Yvonne. Sie nannte den Bankier immer beim Vornamen, wenn er nicht anwesend war. Marie ärgerte sich darüber. „Wie lange ist seine Frau jetzt tot?“
„Heute sind es elf Tage.“
„Ach ja, und schon holt Edgar sich eine andere Frau ins Haus. So sind die Männer, ma chere.“
„Was wollen Sie denn damit sagen? Und außerdem, Yvonne, zum hundertsten Mal, Sie sollen Herrn Kronberger nicht immer Edgar nennen. Schließlich haben Sie nicht mit ihm geschlafen!“
„Ich nicht, aber eine andere hat. Heute nacht. Sie, ma chere?“
Die Empörung nahm Marie fast den Atem.
„Sie unverschämte Person“, sagte sie wütend. „Glauben Sie denn, alle sind so wie Sie?“
„Was regen Sie sich denn so auf, ma chere. Es war doch nur ein Spaß. Natürlich glaube ich nicht, daß Sie tatsächlich mit Herrn Kronberger“ – sie betonte den Namen übertrieben – „ins Bett gegangen sind. Ohne Sie kränken zu wollen, er ist doch wohl mehr für etwas Jüngeres. Und das hat er gehabt. Seine Frau ist tot, also nimmt er eine andere. C’est la vie!“
Marie war jetzt neugierig geworden.
„Wie kommen Sie darauf, Yvonne?“
Yvonne lächelte maliziös, machte eine unnachahmliche französische Geste mit der Linken.
„Nun, ma chere, ich bin kein Kind. Ich komme heute morgen in Edgars Schlafzimmer. Was sehe ich? Das Bett zerwühlt, ein paar lange, blonde Haare auf dem Kopfkissen, ein Hauch von Parfüm und Liebe in der Luft. Es war eine Frau bei ihm, das ist sicher.“ Sie streifte die Asche ihrer Zigarette auf die Untertasse. „Warum auch nicht?“
Marie sagte nicht mehr viel. Als Yvonne sah, daß mit ihr kein Gespräch zu führen war, verließ sie die Küche und ging an ihre Arbeit im Haus.
Marie war zutiefst beunruhigt. Etwas Unheimliches ging in diesem Haus vor. Marie Walter war eine Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben stand. Nach dem Tode ihres Mannes, der vor dreizehn Jahren bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war, hatte sie sich ganz auf Edgar Kronberger konzentriert. Das einzige Kind, das sie je zur Welt gebracht hatte, war gleich nach der Geburt gestorben.
Kronberger war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie hatte geglaubt, ihn zu kennen. War es möglich, daß er um Mitternacht das Zimmer seiner toten Frau besucht hatte, um wenig später eine andere zu lieben?
Ein kalter Schauer überlief Marie. Plötzlich fühlte sie sich nicht mehr wohl in der modernen, chromblitzenden Küche, in diesem Haus. Sie dachte an die Stimme, die sie aus dem Totenzimmer gehört hatte. Aber nein, das war unmöglich.
Marie beschloß, Dr. Klaus Sorell aufzusuchen, einen jungen Arzt, mit dem ihre Nichte Helga zusammenlebte. Sorell kannte Kronberger, hatte seine verstorbene Frau gekannt. Ihm vertraute Marie.
Sie ging zum Telefon, wurde von der Sprechstundenhilfe zu Dr. Sorell durchgestellt. Seine sonore Stimme beruhigte Marie gleich.
„Hallo, Tante Marie, was kann ich für dich tun?“
„Ich muß mit dir sprechen, Klaus. Nicht am Telefon. Geht es heute
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