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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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paar Tierstimmen und Vogelrufe hallten von der Insel herüber.
    Die Ruder waren jetzt eingezogen. Ich hörte das Aufseufzen der Galeassensklaven, die sich über die Ruhepause freuten und sich auf den Ruderbänken bequem hinsetzten, soweit ihre Ketten es zuließen.
    Sechs Matrosen kletterten über die Jakobsleiter ins Beiboot hinab. Sie trugen Arkebusen und Armbrüste für die Jagd. Jeder hatte einen Säbel oder ein Entermesser an der Seite. Wasserfässer wurden mit Stricken hinabgelassen.
    „Was ist, Michele?" rief Marino mir zu. „Du machst Augen wie der Klabautermann."
    Die rauhen Matrosen lachten. Sie mochten Marino, der ihnen immer ein guter Kapitän gewesen war. Er war ein echter da Mosto, ein kühner Abenteurer und Seefahrer. Ich hätte meinen rechten Arm hergegeben, um so sein zu können, wie er. Aber ich war nur Michele, der hustende, blasse Schwächling, das schwarze Schaf der Familie. Ich hatte einmal gehört, wie mein Vater Lorenzo bei einem Gelage im Scherz gesagt hatte, meine Mutter müßte fremdgegangen sein; einen Sohn wie mich habe er nicht zeugen können. Doch jetzt war nicht die Zeit, daran zu denken.
    Ich stieg noch vor Marino in das Beiboot hinab. Mein Bruder sprang nach, und die Matrosen legten ab.
    Der Baske war unter den Matrosen. Er blinzelte mir zu. Er war einer der wenigen an Bord, die mich gut leiden mochten. Der Baske war ein Hüne, älter schon, mit angegrautem Haar und einem groben, wie aus Holz geschnitzten Gesicht. Er hieß Pablo, und unter seiner rauhen Schale war er eine Seele von einem Menschen.
    „Bringt uns einen saftigen Rehbraten mit, Kapitän!" riefen ein paar Matrosen vom Schiff uns nach. Marino stieß die geballte Rechte in die Luft, zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
    Bald knirschte der Kiel unseres Bootes über den Sandstrand. Marino sprang als erster ans Ufer, die Arkebuse in der Hand.
    „Los, Leute!" rief er. „Wer zuerst einen Bach findet und das erste Stück Wild erlegt, bekommt eine Extraration Schnaps."
    Das ließen die Matrosen sich nicht zweimal sagen. Im Nu war das Boot auf den Strand gezogen, alles ausgeladen, und wir marschierten in den kühlen Schatten des Waldes. Pinien und Oleandersträucher wuchsen hier, auch Laubbäume. Das Unterholz war dicht verfilzt, und es gab Blüten in allen Farben und Formen in verwirrender Pracht und Fülle. Sie strömten Düfte aus, die den Sinn umnebelten.
    Der Baske blieb stehen.
    „Das gefällt mir nicht", sagte er. „Hier ist es zu schön und paradiesisch. Wenn sich nun hinter dieser Schönheit etwas verbirgt?"
    „Was sollte sich hier wohl verbergen?" fragte Marino. „Die Sirenen des Odysseus? Oder spanische Schergen, die den Preis kassieren wollen, der in deinem Heimatland auf deinen Kopf steht?"
    Die anderen Matrosen lachten. Pablo brummte nur. Er hatte einen feinen Instinkt. Auch ich fühlte mich unbehaglich, aber ich versuchte, dieses Gefühl zu unterdrücken. Ich gab mich munter und ausgelassen wie mein Bruder und die fünf Matrosen. Sie waren froh, einmal festen Boden unter den Füßen zu haben, stießen Jauchzer aus und machten sich immer wieder auf besonders schöne oder intensiv duftende Blüten aufmerksam.
    „Wir werden diese Insel die Blumeninsel nennen", sagte Marino. „Das ist wirklich ein Paradies." „Kein Paradies ohne Schlange", sagte Pablo.
    Er lauschte ständig angespannt, und er war es auch, der das Murmeln des Baches als erster hörte. Er machte uns darauf aufmerksam. Wir folgten weiter dem Wildpfad, der durchs dichte Unterholz führte, durch Büsche und Rankengewächse. Schließlich gerieten wir auf eine Lichtung am Ufer eines Baches, der tief und klar war.
    „Hier werde ich ein Bad nehmen!" rief Marino.
    Pablo hob eine Hand. „Horcht!" sagte er.
    Wir lauschten und vernahmen ein Rascheln im Unterholz und ein Zischen, das von allen Seiten zu kommen schien. Eng zusammengeschart warteten wir ab.
    „So etwas habe ich noch nie gehört", sagte Marino. „Was kann das nur sein?"
    Die Matrosen hatten die Wasserfässer am Bachufer abgestellt.
    „Das hört sich fast an wie ein ganzes Heer von Schlangen", meinte einer der Matrosen, ein Schwarzbart mit pockennarbigem Gesicht.
    Da quollen sie auch schon aus dem Unterholz hervor. Schuppige Leiber ringelten sich züngelnd aus dem Dickicht und umringten uns. Das dichte, mit vielen prächtigen Blüten übersäte Unterholz spie plötzlich Hunderte, ja Tausende von Schlangen aus.
    Wohin man sah, erblickte man Schlangen, große und kleine, alle möglichen

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