072 - Die Schlangengöttin
Thema Seelenwanderung. Andere saßen oder lagen in Gruppen oder einzeln umher, unterhielten sich, musizierten, lasen oder taten einfach nichts. Malcolm Prattens Höhle lag ein Stück abseits.
Vier Frauen einer Kommune, die sich aus allen Nationalitäten und Rassen zusammensetzte, kochten im Freien auf einem gemauerten Herd. Bei ihnen hätte der Schotte ein paar Bissen ergattern können. Aber er wußte, daß das Essen bei der Kommune knapp war, und so ging er mit einem kurzen Gruß weiter.
Ein blondes Mädchen, eine Neuseeländerin, die gleichfalls zur Kommune gehörte, nährte ihren Säugling. Malcolm setzte sich zu ihr, und sie unterhielten sich eine Weile. Die Kommune wollte in ein paar Tagen mit einem schrottreifen Dampfer nach Afrika hinüberschiffen und irgendwo in der Nähe von Tunis überwintern.
„Komm doch mit, Malcolm!" schlug die Neuseeländerin vor. Sie ließ ihr Kind Bäuerchen machen. „Was hockst du immer hier in diesen alten Hephaistos-Höhlen herum? Du wirst noch verschimmeln."
„Mir gefällt es hier. Außerdem bin ich ein Einzelgänger. Wenn ich auf die Dauer mit mehr als zwei Leuten zusammen bin, kriege ich Zustände."
„Wir beide könnten auch zusammen reisen", sagte die Neuseeländerin und machte Malcolm verliebte Augen.
Er schüttelte sich innerlich. Wenn er etwas nicht tragen wollte, dann Verantwortung.
„Ich bleibe lieber hier", sagte er und schlenderte davon.
Mit nun schon knurrendem Magen näherte er sich wieder seiner Höhle. Er überlegte, daß es höchste Zeit wurde, daß etwas geschah. Entweder mußte er bei den Ausgrabungen oder in Iraklion ein paar Tage arbeiten; oder er mußte etwas stehlen, was sich zu Geld machen ließ.
In den Ruinenfeldern gab es genug Altertümer. Leider waren die Touristen jetzt schon knapp, denen man so etwas verkaufen konnte.
Malcolm kratzte sich in seiner brandroten Haarmähne. Es sah wirklich so aus, als müßte er sein Nichtstun unterbrechen.
Als er unten am verwitterten Felshang stand, hörte er einen Flötenton aus seiner Wohnhöhle. Er stutzte. Wer hatte sich in seiner Abwesenheit in seiner Höhle herumzutreiben?
Malcolm Pratten kletterte gewandt die Steilwand hoch. Seine Miene hellte sich auf, als er den Besucher sah. Es war Xenia, das schöne und rätselhafte Mädchen, mit dem er schon ein paarmal gesprochen hatte. Sie trug ein einfaches Leinenkleid, in dem sie sehr jung und grazil wirkte. Xenia hatte schwarzes Haar und ein mit Glasperlen besticktes Band um den Kopf. Sie lächelte Malcolm entgegen.
Xenia war auf mädchenhafte Weise sehr hübsch. In ihrer Gegenwart wurde Malcolm. der sonst in sexuellen Dingen von einer erfrischenden Direktheit war, verlegen. Er kam sich Xenia gegenüber groß und plump vor.
„Hallo, Xenia!" sagte er, und sie lächelte ihm freundlich zu, ohne ihre fremdartige Melodie zu unterbrechen.
Malcolm Pratten setzte sich auf einen Stein. Er wußte nicht einmal, welche Nationalität Xenia hatte. Sie sprach fließend Englisch, Französisch und Griechisch. Niemand wußte Näheres über sie. Es war auch nicht bekannt, wo sie wohnte, aber es mußte irgendwo in der Nähe sein, denn sie kreuzte des öfteren bei den Hippies auf. Ein paar von den Jungs waren hinter ihr her gewesen, aber Malcolm wußte nicht, ob einer Erfolg gehabt hatte. Sonst wurde frei von der Leber weg geredet, wer mit wem geschlafen hatte und was da im einzelnen gelaufen war; aber über Xenia mochte keiner reden. Es umgab sie etwas Geheimnisvolles, und eine starke Lockung ging von ihr aus.
Malcolm ertappte sich, wie er Xenia auf eine bestimmte Weise musterte. Sie wußte seinen Blick zu deuten, so scheu sie sich sonst auch gab, das zeigte ihm ihr Lächeln. Die Melodie verklang.
„Was willst du hier, Xenia?" fragte Malcolm mit belegter Stimme.
Es drängte ihn, das Mädchen Xenia in die Arme zu nehmen und ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken.
Plötzlich standen Tränen in ihren Augen.
„Ach, Malcolm", flüsterte sie, „ich hatte wieder den Traum. Es wird geschehen. Ich fühle es mit allen Fasern meines Wesens, und kann doch nichts dagegen tun."
„Wovon redest du? Von welchem Traum?
Malcolm hatte seinen knurrenden Magen völlig vergessen.
„Es ist ein Geheimnis. Ich kann nicht darüber reden. Es ist zu furchtbar.
„Mir kannst du es sagen, Xenia. Ich will dir helfen."
Das Mädchen schaute an dem langen Schotten vorbei in den Hintergrund der Höhle. Malcolm sah den tödlichen Schrecken in ihrem feingeschnittenen Gesicht. Er folgte ihrem
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