072 - Die Schlangengöttin
es gedauert, aber jetzt ereilt dich meine Rache doch."
Ich mußte an den Ouroboros denken, die Schlange, die sich selber in den Schwanz biß. Der Kreis hatte sich wieder einmal geschlossen.
„Was ist mit Don Chapman?" fragte ich.
„Don Chapman? Wer ist das?"
„Der Zwergmann, der zu meinen Gefährten gehört. Du weißt es ganz genau, denn du hast ihn entführt oder entführen lassen. Leugne es nicht! Jener Grieche, der nach London entsandt wurde, um eine Fayencestatuette der Schlangengöttin als Opfer darzubringen, ist uns in die Hände gefallen. Du hast ihn getötet, aber nicht schnell genug."
Ophit lachte gellend. „Diesen Narren meinst du, Dorian Hunter. Er hatte nur die Aufgabe, eine falsche Fährte zu legen. Von deinem Zwergmann weiß ich nichts. Er ist nicht hier und wurde gewiß nicht von mir entführt. Zwei meiner Ophiten habe ich nach London geschickt, damit sie dem Dämon, der nach seinem Ebenbild einen Kinddämon erschaffen hat, ein Opfer bringen. Jeder sollte ihm eine Statuette der Schlangenkönigin übergeben."
Ich wollte Aufklärung haben, und wenn ich hinterher sterben mußte. So fragte ich weiter. Ophit machte es einen grausamen Spaß, mit mir zu spielen. Es belustigte sie, meine Fragen zu beantworten.
„Was hast du mit dem Dämon zu tun, der nach seinem Ebenbild das blaue Kindlein schuf?" fragte ich. „Weshalb bringst du ihm Geschenke?"
„Ich habe keinen Grund dazu. Ich kenne ihn überhaupt nicht. Hekate befahl mir, es zu tun, und ich gehorchte. Was Hekate damit bezweckt, weiß ich nicht. Aber es ist nicht gut, die Weisungen der Herrin der Finsternis nicht zu befolgen."
Ich ahnte, weshalb Hekate Ophit ihre Jünger hatte nach London schicken lassen. Ich sollte nach Kreta in den Schlangentempel gelockt werden, um zu sterben. Es war ein Plan, Hekates würdig.
„Ist Hekate anwesend?" fragte ich.
„Nein", antwortete Ophit. „Sie hat Wichtigeres zu tun. Sie hat mir erlaubt, dich zu töten. Ihr Wunsch ist es, daß du von der Großen Schlange verschlungen wirst."
„Du mußt mächtige Angst vor ihr haben", stichelte ich. „Wenn Hekate befiehlt, dann springst du." „Ich weiß, wann ich mich beugen und gehorchen muß. Hekate ist stärker als ich, und solange sie das ist, bin ich ihre ergebene Dienerin. Aber es hat schon viele Herren der Finsternis gegeben, seit meine Ahnen in Knossos verehrt wurden. Vielleicht kommt auch einmal eine andere Zeit."
„Laß das nur nicht Hekate hören!"
„Genug geredet jetzt", sprach der Dämon. „Ich habe noch keinen Menschen verschlungen, seit ich mich häutete, und bin sehr, sehr hungrig. Du wirst im Magen der Großen Schlange enden, Dämonenkiller."
Thomas Becker zielte mit der Pistole auf die Schlangengöttin und schoß. Aber die Kugeln konnten Ophit nicht verletzen. Sie lachte nur. Die Geschosse flogen einfach durch sie hindurch und hinterließen nicht einmal Wunden. Auch Thomas Beckers Kreuz und das Peter Planks konnten den Dämon nicht beeindrucken.
Ich gab dem rothaarigen Studenten die Weihwasserphiole. Er erbrach sie mit zitternden Fingern und bespritzte Ophit. Sie lachte nur noch lauter. Ich riß die Anakonda von meinem linken Arm und schleuderte sie weg, um nicht behindert zu sein. Die vielen hundert Schlangen in der Stalaktitenhöhle griffen uns nicht an. Sie hielten respektvollen. Abstand, waren wir doch als Opfer für ihre Herrscherin ausersehen.
Ophit begann, sich in die Riesenschlange zu verwandeln. Die Körperformen der dämonischen schönen Frau mit den bloßen Brüsten verschwammen. Ophit wurde zu einer regenbogenfarbenen Schlange, die sich rasch vergrößerte. Sie wuchs und wuchs. Ein Riesenmaul klaffte vor uns, und stinkender Atem strömte heraus. Von den beiden Zähnen im Oberkiefer tropfte die Giftflüssigkeit. Armlang waren diese Zähne, und in den Schlund paßte ein ausgewachsener Mann mit Leichtigkeit hinein.
Vielleicht war Ophit noch gewachsen, seit ich sie vor Jahrhunderten zum letztenmal gesehen hatte. Die Ophiten spielten auf ihren Flöten und schrien ekstatisch. Unzählige Schlangen zischten, als ihre Göttin sich zeigte. Der Oberpriester verneigte sich wieder und wieder, schlug seine Stirn auf dem Felsboden blutig und repetierte Anbetungsformeln.
Die Riesenschlange starrte uns an. Ophit hatte einen hypnotisierenden Blick. Ich spürte, wie Todesangst mich erfüllte, mich lähmte.
„Du zuerst, Rotschopf!" sagte die Monsterschlange zu Peter Plank.
Wider Willen, mit steifen Gliedern, ging der poppig gekleidete
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