Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Vorwort
Günther und Karin Bloch
Elli Radinger trafen wir zum ersten Mal 1990. Damals besuchten meine Frau Karin und ich Dr. Erich Klinghammers Forschungsstation Wolf Park in den USA. Zur gleichen Zeit wanderten nach und nach die ersten Wölfe aus Polen nach Deutschland ein. Eine Lobby hatten diese Wölfe nicht. Erich Klinghammer machte uns den Vorschlag, eine deutsche Wolfsgesellschaft zu gründen, um hier Aufklärungsarbeit zu betreiben, das schlechte Image des Wolfes zu verbessern und breiten Bevölkerungsschichten dieses große graue Raubtier näherzubringen. Daraufhin gründeten wir mit insgesamt sieben Mitstreitern die »Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e. V.«
Mitte der neunziger Jahre hatten wir bereits über tausend Mitglieder. Wir führten regelmäßig Seminare durch, nahmen Kontakt zu namhaften Verhaltensforschern in der ganzen Welt auf und leiteten unter dem Biologen Prof. Ray Coppinger ein Herdenschutzhundeprojekt in der Slowakei. Als Vorsitzende der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe engagierte sich Elli Radinger wie kaum eine andere und verurteilte vehement das leider weltweit übliche Töten von Wölfen. Sie organisierte Protestaktionen und wandelte sich sehr bald zu einer weitsichtigen Naturschützerin. Ebenfalls Mitte der neunziger Jahre brachten Biologen mehrere Dutzend zuvor in Kanada eingefangene Timberwölfe in den Yellowstone-Nationalpark/USA. Ein atemberaubendes Naturerlebnis nahm seinen Lauf. Die Wölfe akklimatisierten sich rasch, und ihre Population stieg von Jahr zu Jahr. Elli Radinger war schon vor der Ankunft des Wolfes ein begeisterter Fan dieses einmaligen Ökosystems. Oft reiste sie dorthin, bewunderte die Schauspiele der Natur und freute sich über die Möglichkeit, die dort heimische Tierwelt aus nächster Nähe sehen zu können. Und was es neben den Wölfen dort alles zu beobachten gab: Bären, Adler, Bisons, Hirsche, Kojoten und ... und ... und ...
Heute ist dieser Nationalpark ein Magnet für wolfsbegeisterte Menschen. Er zieht Tausende in seinen Bann. Yellowstone gilt als eines der wenigen Ökosysteme weltweit, wo man Wölfe in ihrer natürlichen Umgebung und sogar bei der Jagd observieren kann. Welch ein Privileg!
Nun liegt uns also ein Buch vor, das sich eingehend mit der Geschichte der Wölfe von Yellowstone beschäftigt. Es ist der Autorin hoch anzurechnen, dass sie dieses Ökosystem nicht durch eine »rosarote Brille» beschreibt, sondern auch kritisch und mahnend den Finger erhebt. In nordamerikanischen Nationalparks ist nämlich noch längst nicht alles Gold, was glänzt. Im Gegenteil. Der Wolf hat es hier besonders schwer. Touristen verhalten sich oft so, als seien sie in einem Zoo unterwegs. Wolfsmütter haben aufgrund der Präsenz unvernünftiger Touristen mitunter Schwierigkeiten, zu ihren Welpen zu gelangen, ohne Störung eine Straße zu überqueren oder aber unbeeinflusst auf die Jagd zu gehen. Elli Radinger prangert zurecht diese Missstände an und appelliert an die Vernunft der Menschen. Ob es hilft, wird die Zukunft zeigen.
Besonders interessant sind aber Ellis Verhaltensbeschreibungen der Wölfe. Es wird mit Klischees aufgeräumt wie etwa dem, dass sich nur »Alphawölfe» paaren und ansonsten keine niederrangigen Tiere »zum Zuge kommen». Nein, es können in der Wolfswelt sogar Doppel- oder Dreifachwürfe vorkommen. Zudem beschreibt die Autorin in ihrem Buch »individuelles Verhalten» – denken wir nur an ihre Ausführungen zum Wolf »Hinkebein«. Und plötzlich scheint im Reich der Wölfe alles möglich zu sein: strenge Rudelordnung hier, hochgradig komplexes Harmoniebedürfnis dort; strikt territoriales Verhalten hier, tolerantes Revierverhalten dort. Wölfe passen eben in keine »Schublade«. Sie verhalten sich flexibel und den jeweiligen Lebensbedingungen angepasst. Das ist Verhaltensforschung auf dem neuesten Stand der Dinge. Keine Klischees sondern sachliche Aufklärungsarbeit.
Elli Radingers Buch ist voller Emotionen. Und das ist auch gut so. Über Emotionen interessiert man viele Menschen für ein Raubtier, dessen Image zu unrecht schlecht ist. Wölfe sind familienorientierte Tiere. Das zeigen auch unsere eigenen Verhaltensstudien im kanadischen Banff-Nationalpark. Und Wölfe sind wichtig für ein intaktes Ökosystem. Der Yellowstone-Nationalpark hat sich nach der Ankunft des Wolfes aus biologischer Sicht positiv verändert. Die Wölfe haben dazu maßgeblich beigetragen. Die Autorin hat genau das erkannt und beschreibt deshalb den
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