0724 - Der Stasi-Vampir
Vampir im schwarzen Smoking, sehr geschmeidig, während seine Begleiterin Mühe hatte, die hohen Kanten der Stufen überhaupt erklimmen zu können.
Sie nahmen auch nach dem Verlassen der Treppe nicht den normalen Weg, sondern wandten sich nach links, wo sie ein schmaler Gang schluckte, der wiederum so niedrig war, daß sie sich bücken mußten, um nicht über die Decke zu kratzen.
Der Gang endete an der Westseite des Schlosses. Er stank fürchterlich, er war eine Heimat für Ratten und anderes Getier, und auch für die Blutsauger wichtig.
Eine Tür trennte ihn von der normalen Welt.
Davor blieben beide stehen. Zwischen den Mauern war es finster, aber Helga spürte sehr deutlich, daß hinter der Tür noch der normale Tag lauerte, auch wenn der dichte Baumbestand viel von der Helligkeit filterte.
»Ist der Wagen da?« fragte sie bibbernd.
»Ich schaue nach.«
Rico bückte sich. Er zerrte die Tür auf und schaute durch den Spalt ins Freie.
Nichts regte sich.
Dann rief er nach einem Namen. »Sobek!«
Ein scharfer Ruf reichte aus. »Ich bin hier, Chef!«
»Fahr den Wagen ran.«
»Mache ich.«
Er schloß die Tür wieder und legte seine Hände auf Helgas Schultern. »Du wirst sehen, meine Liebe, alles geht glatt. Auf unseren Sobek ist Verlaß, das brauche ich dir nicht extra zu sagen.«
»Soll er für immer ein Mensch bleiben?«
»Hüte dich vor seinem Blut. Wir brauchen es. Sobek ist sehr wichtig für uns.«
»Ich habe auch nur gefragt.«
Als sie das Geräusch eines Automotors hörten, öffnete Rico die Tür wieder. Er schaute zu, wie Rico den VW-Transporter rückwärts dicht an die Tür heranfuhr, so daß praktisch kein Zwischenraum mehr bestand. Die hintere Tür hatte er bereits geöffnet.
»Steig ein…«
Helga schob sich an Rico vorbei. Dann bückte sie sich und kroch auf allen vieren in den Raum, dessen Scheiben durch einen schwarzen Anstrich verdunkelt waren.
Sie hockte sich in eine Ecke, verzichtete auf eine Decke und hörte, wie Rico mit dem Fahrer sprach und ihm noch einmal genau die Fahrroute bekanntgab.
Dann stieg auch er ein und schloß die Tür. Von innen riegelte er sie zu. Er nahm neben Helga Platz und strich über ihr totenbleiches Gesicht. »Es wird für dich eine besondere Nacht werden. Eine Nacht, auf die du dich freuen kannst. Alle Probleme werden in den nächsten Stunden für dich gelöst werden.«
Sie nickte ihm zu.
Das war ihm zu wenig. »Vertraust du mir?«
Sie bejahte die Frage in dem Augenblick, als Sobek anfuhr. Beide hielten sich fest.
»Dann solltest du dir jetzt etwas anderes anziehen. Das weiße Gewand steht dir zwar gut, aber es ist nicht die richtige Kleidung für das, was wir vorhaben.«
Helga tat alles, was Rico von ihr verlangte. Sie wußte, daß es der Schwarze nur gut mit ihr meinte, und sie hörte auch sehr genau zu, als er ihr den Plan für die folgenden Nachtstunden darlegte. In dieser Nacht mußten endlich die Zeichen für die weitere Zukunft der Blutsauger gesetzt werden.
Helga Stoßflug war dazu bereit. Sie freute sich schon darauf, diesmal das Blut ihres Mannes trinken zu können.
Es würde ihr schmecken.
***
Hektik, Trubel, Wirbel auf der kleinen Polizeistation in der Nähe. Dafür hatte Harry Stahl gesorgt, denn er brauchte Informationen, an die nicht so leicht heranzukommen war.
Es ging um ein Schloß, es ging um eine Schule. Beide Dinge waren für den Fall entscheidend.
Zum Glück kannte Harry Stahl Leute in einflußreichen Positionen, die auch den entsprechenden Druck machen konnten. Und er erzielte einen guten Erfolg.
Ein Historiker, Fachmann für die Geschichte Sachsens, lebte in Dresden und wurde ins Polizeirevier gebeten. Er kam auf dem Fahrrad, den Gepäckträger mit Büchern vollgestopft. Sie wurden zusätzlich von einem dicken Gummiband festgehalten.
Ich half dem Mann beim Tragen der Bücher. Anschließend ging es los. Geschlagene zwei Stunden redeten, diskutierten und blätterten wir in den Unterlagen, ohne etwas zu finden. Immer wieder fragte der Historiker nach und konnte sich an keine Schule hier in Sachsen erinnern. Internate hatte es während der SED-Zeit nicht gegeben.
»Muß es denn ein Internat gewesen sein?« fragte ich.
Beide Männer schauten mich an. »Wie meinen Sie das?« fragte mich der Wissenschaftler.
»Gibt es nicht noch andere Schulen?«
»Ich kenne keine.«
»Und du, Harry?«
Der Kommissar überlegte bereits. Er wußte noch keine Lösung, meinte aber, daß es eine Spur wäre.
»Denke nach.«
»Mach' ich
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