0724 - Der Stasi-Vampir
er, was dann geschehen war und wie er es geschafft hatte, den Blutsauger zu vernichten.
Uns interessierte mehr seine Frau. »Was hat Helga denn zu Ihnen gesagt?« wollte Harry wissen.
»Sie hat endgültig Abschied genommen. Ich hab' ja auch noch Glück gehabt, daß sie nicht mein Blut getrunken hat.«
»Das stimmt«, murmelte ich.
»Und dann war da noch einer«, sagte er plötzlich.
»Wie - wo?« fragte ich.
»Hier in der Wohnung.«
Er trank wieder einen Schluck Schnaps. »Nein, nicht hier in der Wohnung. Er wartete im Flur und war der Begleiter meiner Frau.«
»Sie kannten ihn nicht?«
»Richtig.«
»Aber Sie können ihn beschreiben«, sagte Harry.
Helmut Stoßflug nickte. »Das kann ich schon, und ich muß Ihnen sagen, daß ich mich vor ihm gefürchtet habe. Es war ja auch kein Mensch, wenn Sie verstehen.«
»Ein Vampir?« hakte ich nach.
»Richtig, ein Blutsauger, aber anders, als man ihn kennt, verstehen Sie?«
»Nicht direkt«, sagte ich. »Sprechen Sie weiter.«
»Er war nicht so gekleidet wie die Vampire, die man von Zeichnungen oder aus dem Kino her kennt. Dieser Mann trug«, so flüsterte Helmut Stoßflug, »einen Frack oder so. Er sah elegant aus, als wäre er gerade von einem Fest gekommen.«
»Was fiel Ihnen noch auf?«
»Seine Zähne, die aus dem Oberkiefer ragten. Zwischen den Lippen klemmte sogar noch eine Zigarette.« Stoßflug schüttelte sich. »Das war gar nicht zu fassen, das ist mir einfach unter die Haut gegangen. Der sah aus, als gäbe es ihn nicht echt. Er wirkte wie eine Figur, die man dahingestellt hatte. Und doch lebte er. Ist das nicht schrecklich? Er lebte tatsächlich, was ich nicht fassen kann.«
»Sind Namen gefallen?« wollte ich wissen.
»Sie meinen, ob Helga ihn mit einem Namen angesprochen hat?«
Ich nickte.
»Nein, überhaupt nicht. Ich hatte ihn zuvor auch nie gesehen, aber trotz seiner eleganten Kleidung strömte er etwas aus, das mir eine starke Furcht einjagte. Für mich war es die stumme Sprache des Todes oder des Blutes. Hört sich blöd an, ich weiß, aber ich finde keinen anderen Vergleich. Das ist so gewesen.«
Harry Stahl nickte mir zu, bevor er seine Meinung kundtat. »Der Schwarze muß das gewesen sein. Da kannst du sagen, was du willst, John.«
»Möglich.«
»Wer ist das denn?« fragte Stoßflug.
»Jemand, den wir suchen.«
Er duckte sich leicht, als er flüsterte: »Stasi?« Noch jetzt hatte er Furcht davor.
»So wird es wohl sein.«
»Sie sind noch da« flüsterte er. »Die verdammte Bande ist nicht aufgerieben worden. Sie ist allmächtig. Jetzt rottet sie sich wieder zusammen. Sie sind untergetaucht nach der Wende, aber haben es nie aufgegeben, wieder mächtig zu werden. Ich spüre, daß da etwas auf uns zukommt. Ja, ich weiß es sogar.«
Ich wechselte das Thema. »Sie haben immer hier in Dresden gelebt, Herr Stoßflug?«
»Richtig.«
»In diesem Haus?«
»Ja.«
»Dann würde ich Sie gern fragen, ob in den letzten Jahren in dieser Gegend Fälle von Vampirismus vorgekommen sind. Gab es Gerüchte, gab es Geschichten, die man hinter vorgehaltener Hand erzählte? Sie wissen ja, wie das läuft.«
Er überlegte und schüttelte den Kopf. »Nein, davon weiß ich nichts. Was aber nichts zu sagen hat. Die meisten Menschen erfahren nicht, was hier abläuft.« Er deutete mit dem Finger gegen die Decke. »Das läuft immer einige Etagen höher ab.« Helmut lachte bitter auf. »Als ich von meiner Kur zurückkehrte, da hat man mich erst geschnitten. Ich war meine Arbeit los…«
»Was sind Sie denn von Beruf?«
»Hersteller, das ist so etwas wie Grafiker.«
»Verstehe. Und was taten Sie nach dem Aufenthalt?«
Er hob die Schultern. »Ich bekam Arbeit in einer Zigarettenfabrik. Aber ganz unten. Lager, Hilfsarbeiten und so. Und ich blieb auch ganz unten. Die da oben hatten natürlich meine Akte, die wußten, was mit mir los war.«
»An Ihnen kann es also nicht gelegen haben«, sagte ich.
Er hob die Schultern. »Ich weiß zwar nicht, was Sie damit meinen, aber ich gebe Ihnen recht.«
»Kommen wir zu Ihrer Frau.«
»Moment mal, John«, sagte der Kommissar. »Ich verschwinde jetzt und setze mich mit den Kollegen in Verbindung. Ich möchte, das der Tote abgeholt wird.«
»Das ist okay.«
Als Harry weg war, wiederholte ich meine Bemerkung.
Helmut Stoßflug wollte mir den Wind aus den Segeln nehmen. »Ich weiß nichts mehr über meine Frau, das ist alles zehn Jahre her. Da heilt die Zeit viele Wunden.«
»Da haben Sie recht, Herr Stoßflug.
Weitere Kostenlose Bücher