073 - Der Gehenkte von Dartmoor
leider meiner Kenntnis«, antwortete der
glatzköpfige George Simpson. »Aber es ist ja bekannt, daß sich solche
schrecklichen Ereignisse mit der Geschwindigkeit eines Blitzes herumzusprechen
pflegen.«
»Bitte, wenn
Sie ihn sich ansehen wollen!« Der Chiefinspektor machte eine unbestimmte
Handbewegung.
Die beiden
Männer traten zu der Gestalt im Gras. George Simpson hob mit spitzem Finger das
Taschentuch, ließ es aber gleich wieder fallen. Er schlenkerte den Finger, als
habe er ihn sich verbrannt.
»Scheußlich!
Nein, nein, das ist nicht der junge Jackson!«
»Auch wenn es
nicht der Gärtnerbursche ist, kennen Sie den Toten vielleicht von woanders her?
War er vielleicht schon mal in Ihrem Geschäft, Mr. Simpson? Kennen Sie ihn, Mr.
Martin?«
Die beiden
sahen einander an und schüttelten dann gleichzeitig den Kopf.
»Tut uns leid, Ihnen nicht helfen zu können«,
murmelte George Simpson. »Wir kennen den Mann nicht.« Damit gingen sie wieder.
Larry Brent
stand am Rand der Kuppe und hatte von hier einen weiten Blick ins Moor. Auf
einer Landstraße, die sich über die welligen, flachen Hügel schlang, näherte
sich in rasendem Tempo eine Limousine. Sie jagte heran, und Larry Brent hörte,
wie sie am Fuß des Teufelspick mit kreischenden Bremsen hielt. Er vernahm von
unten heftige Stimmen und einen Tumult. Nach ein paar Sekunden erschien mit
hochrotem Kopf eine untersetzte Gestalt auf dem Fußweg.
Es war
Sylvester Sarg. Schweratmend trat er auf Higgins zu: »Chiefinspektor, ich bitte
Sie… hören Sie, ich bitte Sie… zeigen Sie mir den Gehängten!«
Higgins wies
stumm auf den Toten.
Sylvester
Sarg betrachtete ihn mit unbewegter Miene, trat heran, blickte unter das
Taschentuch, ging zwei Schritte zurück und blieb stehen. Er schwieg.
»Nun, Mr.
Sarg«, fragte der Chiefinspektor, »kennen Sie ihn?«
Der andere
schüttelte langsam den Kopf. Dann murmelte er: »Entschuldigen Sie, ich habe
keine Zeit!« Sarg hastete zum Fußweg. Kurz darauf hörten sie unten ein Auto
anfahren, und Larry Brent sah die Limousine ins Moor zurückrasen.
Higgins trat
zu X-RAY-3.
»Na, Larry,
glauben Sie ihm, daß er den Toten nicht kennt?«
»Nein. Ich
habe es keine Sekunde lang geglaubt. Er hatte ihn schon erkannt, bevor er das
Taschentuch hob. Ich nehme an, daß es einer seiner Leibwächter ist.«
»Ich erinnere
mich nicht, ihn im Bahnhof gesehen zu haben.«
»Das will
nichts bedeuten. Das waren wahrscheinlich nicht alle, die Sarg aus Soho
mitgebracht hat. Vielleicht stand er inzwischen irgendwo Posten.«
»Durchaus
möglich.«
Inspektor
Hollister räusperte sich neben ihnen. Er sah sie mit seinen etwas
hervorquellenden Augen verwirrt an.
»Verzeihung,
Sir, es ist etwas verschwunden.«
»Was denn?«
»Das Seil ist
nicht mehr da, mit dem der Mann aufgehängt wurde. Es hat doch die ganze Zeit
neben ihm gelegen. Jetzt ist es fort.«
»Verdammt
noch mal!« fluchte der Chiefinspektor, »das ist doch nicht möglich! Hat jemand
von den Herren vielleicht das Seil an sich genommen?«
Dr. Summers
sah den Chiefinspektor fassungslos an. Der junge Vikar wurde noch weißer.
»Ich bitte
Sie, was denken Sie von uns?«
»Oder hat
jemand von Ihnen gesehen, wer es an sich genommen hat?«
Sie
verneinten und sahen sich ratlos an.
»Verstehen
Sie das?« rief Higgins ergrimmt. »Wer hat denn Interesse an einem Strick? Das
ist doch nur noch grober Unfug!«
»Leider irren
Sie sich, Edward«, sagte Larry Brent bitter, »das ist kein grober Unfug! Das
gehört zu den gräßlichen Verbrechen, die hier geschehen. Ich behaupte, daß es
gar nicht um diesen armen Teufel da ging – es ging um den Strick an seinem
Hals!«
Der
Chiefinspektor starrte Larry Brent sekundenlang an. Dann fuhr er sich mit der
Hand über die Augen und murmelte: »Wenn Sie recht haben sollten, Larry, dann
wäre das da einfach… einfach… unfaßbar! Ich beginne zu verstehen, was Sie
meinen…«
Vom
Teufelspick fuhren Larry Brent und der Chiefinspektor nach Fennermoor. Sie
fragten dort nach dem Farmer Edgar Brown. Ein Halbwüchsiger wies ihnen den Weg.
Der Mann saß
in seinem Vorgarten, in einer Art weißer Laube. Man sah Brown an, daß er krank
war oder sich eben erst auf dem Weg zur Genesung befand.
Der
Chiefinspektor fragte ihn, ob sie zu ihm in die Laube kommen dürften; er
stellte sich und Larry Brent kurz vor. Der Mann nickte und wies auf eine
Holzbank, die neben seinem Stuhl stand. Sie nahmen Platz. Larry Brent fiel auf,
daß der Mann es nicht wagte, sie
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