073 - Der Schlaechter
trat beiseite und deutete auf eine regungslose Gestalt in einem Bett, nicht weit von mir.
„Er ist noch nicht tot“, fuhr der Mann fort. „Aber bald kommt der Exitus. Der Unfall wurde ihm zum Verhängnis. Sobald er seinen letzten Atemzug getan hat, nehme ich die Transplantation vor. Sind Sie einverstanden?“
„Aber … aber …“, stammelte ich. „Ich verstehe nicht. Sie wollen sagen, daß Sie …“ Ich fand nicht die passenden Worte.
„Ja, ja, genau das will ich. Sie werden ein neues Herz bekommen, ein Herz in einwandfreiem Zustand. Ich bin Facharzt auf diesem Gebiet. Sie können mir vertrauen. Ich habe diese Operation schon mindestens hundertmal an Tieren vorgenommen und auch schon an Menschen. Natürlich darf die Öffentlichkeit das nicht erfahren.“
Ich riß die Augen auf und schaute ihn entgeistert an.
„Wollen Sie leben oder sterben?“ fragte er plötzlich ärgerlich.
„Leben natürlich.“
„Und Sie wollten Selbstmord begehen? Na ja, das ist ja menschlich. Mal will man das eine, dann das andere, man weiß nie genau, was man eigentlich will. Soll ich Sie nun operieren?“
„Ja“, sagte ich mit schwacher Stimme.
„Gut. Bis gleich. Ich komme wieder.“
Er entfernte sich, und ich drehte den Kopf, um meinen Nachbarn näher in Augenschein zu nehmen. Er rührte sich nicht. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sein Herz anstelle meines eigenen in meiner Brust schlagen würde. Ich konnte mir das überhaupt nicht ausmalen.
Ein paar Minuten später erschien der Chirurg wieder, diesmal in Begleitung eines Mannes, der ebenfalls Arzt sein mußte, denn sie unterhielten sich immer in einer mir unverständlichen Fachsprache.
Da erwachte mein Nebenmann und fing an zu reden. Der Unterhaltung mit den beiden Ärzten konnte ich entnehmen, daß der Mann ein von der Polizei gesuchter Verbrecher war. Er redete sehr lebhaft. Ich wunderte mich darüber, denn der Chirurg hatte mir doch vorhin erzählt, daß dieser Mann kurz vor dem Exitus stand. Nach einer Weile brachte man ihn in ein anderes Zimmer. Ich habe ihn dann nie wiedergesehen.
In den nächsten Stunden wurde ich laufend untersucht. Jedesmal horchte mich der Chirurg ab und sprach mit sorgenvoller Miene von meinem Herzen. Einmal, als ich erwachte, standen ein paar Männer und Frauen um mich herum. Sie trugen weiße Arztkittel. An ihren Gesichtern konnte ich erkennen, daß es sehr ernst um mich stehen mußte.
Mein anfängliches Mißtrauen schwand allmählich, denn ich fühlte tatsächlich, wie mein Herz immer schwächer wurde. Es schlug unregelmäßig und schmerzhaft. Manchmal spürte ich seinen Schlag kaum noch, dann wieder war es mir, als wollte es meine Brust sprengen. Ich bekam sogar einen regelrechten Herzanfall.
„Noch einmal so etwas, und es ist aus mit Ihnen“, sagte der Arzt warnend.
Von dem Augenblick an beschwor ich ihn, seine mir vorgeschlagene. Operation so schnell wie möglich durchzuführen.
„Ihr Herzspender wird höchstwahrscheinlich die Nacht nicht mehr überleben“, sagte der Chirurg. „Und morgen operiere ich Sie.“
„Wird es weh tun?“
„Überhaupt nicht. Sie gehen aus diesem Eingriff frisch wie der junge Morgen hervor. Hier, trinken Sie das.“
„Was ist das?“
„Immer diese Fragerei! Es ist gut für’s Herz. Ich werde Ihnen auch noch eine Injektion geben. Ohne diese Mittel wären Sie schon längst tot.“
Ich wartete voller Angst und Zweifel auf den nächsten Morgen, der für mein Leben so entscheidend sein sollte.
Als dann der Chirurg an mein Bett trat und fragte, ob ich bereit sei, nickte ich. Es ging um mein Leben, und ich schickte mich in das Unvermeidliche.
Man brachte mich in einen großen Saal, in dem schon mehrere Leute in weißen Kitteln mit Gesichtsmasken warteten. Jemand führte mir eine Nadel in die Vene ein, und ich versank in tiefen Schlaf.
Es ist geschehen. Ich fühle einen undefinierbaren Schmerz in der Brust und gleichzeitig eine unendliche Erleichterung bei dem Gedanken, daß ich alles hinter mir habe. Ich kann ohne Schwierigkeiten atmen und habe langsam wieder Appetit.
Der Chirurg sieht oft nach mir. Ich blicke ihn dann voll tiefer Dankbarkeit an, denn ich weiß, daß er mein Lebensretter ist.
Alles wäre gut, wenn ich nicht immer an mein neues Herz denken müßte. Dann beginnt ein Trommelwirbel in meiner Brust, so als ob das Herz heraus wollte. Das ist natürlich Unsinn, aber es quält mich.
Ich sprach mit dem Doktor über meine Beschwerden. Seine Antwort
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