073 - Der Schlaechter
und behält. Vielleicht wird man die Zusammensetzung dieses Wundermittels eines Tages nach Kappas Tod in seinen Papieren finden, wenn er sie nicht schon vorher verbrennt. Denn der Chirurg verachtet die Menschheit, und ich akzeptiere seinen Standpunkt, wenn ich ihn auch nicht ganz teile. Aber ich sehe ihn als meinen Wohltäter an, obwohl er mich nur zu seinem eigenen Vergnügen operiert hat, wie er mir selbst gestand, und nicht, um mir zu helfen.
Aber was macht das schon? Was auch immer seine Gründe gewesen sein mochten und was er auch für Verbrechen begangen hat, er besitzt meine Sympathie. Das klingt egoistisch, na, und?
Jedenfalls schlägt mein Herz. Und wie! Es ist noch jung, denn der Mann, von dem ich es habe, war vierundzwanzig Jahre alt, erfreute sich bester Gesundheit und war von kräftigem Körperbau. Ich bin einundvierzig.
Die Geschichte begann mit einem Autounfall, den ich verursacht habe, weil ich mich mit Selbstmordabsichten vor ein Auto warf. Aber erst muß ich noch erzählen, warum ich mich umbringen wollte.
Mein Vater war Maler so wie ich. Er war sein Leben lang nicht sehr erfolgreich, und mir erging es in meinem kleinen Atelier in einem Ort bei Paris nicht anders. Ich lebte sehr ärmlich und hatte oft nichts zu essen. Die wenigen Leute, die zu mir kamen, gingen meistens ohne etwas zu kaufen wieder fort.
Eingeschlossen in ein kleinbürgerliches Leben, aus dem ich nicht entfliehen konnte, wurde ich vierzig Jahre alt. Und dieser Stumpfsinn hätte vielleicht weitere vierzig Jahre gedauert, wenn nicht Dahlia in mein Leben getreten wäre.
Warum das Schicksal ausgerechnet mich zum Glückskind erkoren hatte, verstehe ich bis heute nicht. Dahlia war das schönste Mädchen, das ich je kennengelernt habe. Kastanienbraune lange Locken und ein Gesicht wie von Rafael gemalt. Aber das war nicht alles. Sie war dazu noch reich. Sie hatte vermögende Eltern in Paris und erschien aus einem unerfindlichen Grund eines Tages in meinem Atelier.
Was sie an mir fand, weiß ich nicht. Wahrscheinlich reizte sie mein einfaches, armes Leben, das für sie eine romantische Abwechslung in ihrer bisher gewohnten Welt der Pariser Gesellschaft war. Wir verlebten ein paar Wochen in unendlicher Glückseligkeit. Ich gab mein Atelier auf, verkaufte meine wenigen Habseligkeiten und folgte ihr nach Paris. Aber sie liebte mich als Kuriosum. Ihr gefiel es, die Wohltäterin zu spielen, mich durch ihre Großzügigkeit zu ihrem Sklaven zu machen. Sie genoß die Tuscheleien ihrer Freundinnen. Was anfangs Leidenschaft war, wurde langsam ein Spaß und schließlich Langeweile und Überdruß.
Eines Tages war Dahlia verschwunden, und die kleine Wohnung, die sie gemietet hatte, mußte bis zum Ende des Monats geräumt werden, weil keine Miete mehr gezahlt wurde. Von meiner Malerei konnte ich dort nicht leben. Ich saß also auf der Straße.
Ich liebte sie immer noch und war fast krank vor Kummer. Entmutigt und hungrig schlug ich mich ein paar Tage durch. Ich wußte nicht, wohin ich sollte. Ziellos rannte ich durch die Straßen, bis mich ein Lastwagenfahrer mitnahm. Der setzte mich irgendwo ab, und ich irrte ausgehungert weiter. Die Nacht brach herein, und da sah ich im Mondlicht das Meer. Auf einmal wußte ich einen Ausweg aus meiner hoffnungslosen Situation. Das Meer! Es zog mich unwiderstehlich an. Es sollte meinem verpfuschten Leben ein Ende bereiten. Ich suchte nach einem Weg, um an den Strand zu gelangen, als sich ein Auto näherte. Seine Scheinwerfer tauchten die Straße in gleißendes Licht.
Einem plötzlichen Impuls folgend, warf ich mich vor die Räder. Ich wollte so schnell wie möglich Schluß machen.
War es zu früh? Hatte mich der Fahrer noch rechtzeitig gesehen? Ich spürte einen Schlag am Kopf und an der Schulter und wurde in den Straßengraben geschleudert. Ich war benommen, aber nicht bewußtlos.
Der Lenker des Wagens mußte versucht haben, mir auszuweichen. Er krachte gegen einen Baum auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Ich blieb wie gelähmt liegen, mit schmerzenden Gliedern. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. Auf einmal war mir, als bliebe es stehen, und ich rang nach Atem.
Nachdem mein Selbstmordversuch mißlungen war, hatte ich plötzlich Angst, hilflos im Straßengraben zugrunde zu gehen.
Aber jemand aus den umliegenden Häusern mußte den Unfall beobachtet haben. Ich vernahm Schritte und dann auch Stimmen. Eine Lampe schwankte durch die Dunkelheit und erhellte ein großes Eisentor.
Zwei Männer
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