0733 - Der Weg des Diktators
entkommen - die entsprechenden Kabel waren ebenso wie die Schaltstationen unterirdisch verlegt. Sie waren mit dem Dienstsiegel Casalles mühelos hineingekommen und hatten die Gefangenen vorbereitet.
„Werden wir auch wieder hinauskommen, Sergio?" fragte das Mädchen, mit dem er zusammen aus Terrania hierher geflogen war.
„Nur dann, wenn Casalle seinen Kontrakt nicht bricht!" sagte er.
Seine Augen suchten den Himmel jenseits des Zaunes ab, der sich wie eine dünne grüne Mauer erhob und perspektivisch verzerrt in der Ferne verschwand. Noch war das Schiff nicht da.
Der letzte Kontakt mit Danton war zufriedenstellend gewesen.
Roi würde helfen.
„Wird Casalle sein Versprechen halten?"
Sergio lächelte unergründlich.
„Das wissen nur dieser Kratt und er selbst. Ich mißtraue ihm."
Er mißtraute nicht ganz. Er schätzte diesen Mann auf eine bestimmte Art ein und glaubte, daß diesen Aphilen ein Ehrenwort unter Umständen binden würde.
„Das Schiff!" sagte nach einigen Minuten jemand. „Dort!"
Mit steigender Unruhe beobachteten die zweihundert Frauen und Männer, zwischen den Gefangenen eingekeilt, wie die Korvette heranschwebte, den Zaun übersprang und abseits landete. Eine Gruppe Gleiter kam aus den hochliegenden Luken und steuerte auf das Zeltdach zu, das sich über einem Podium kühn erhob. Die Kameras begannen zu schweben und zu kreisen. Percellar hob sein Glas an die Augen und beobachtete scharf den Mann in der schalldichten Kugel auf dem Regiegleiter.
Er kommt mir immer bekannter vor, je länger ich ihn sehe, dachte er und sah zu, wie Kratt die Treppen hinuntereilte, um das „Licht der Vernunft" zu begrüßen. Casalle trug noch immer seine Admiralsuniform und hatte völlig auf Prunk verzichtet.
Es gab nur wenige Wächter hier. Die Gefangenen konnten nicht entkommen, sie würden innerhalb der Energiezäune verdursten, wenn sie zu flüchten versuchten. Jetzt bildete sich in der Mittagshitze langsam ein unregelmäßiger Halbkreis aus Gefangenen und OGN-Angehörigen um das Podium.
Casalle hielt sich nicht lange auf. In das erwartungsvolle Schweigen, das ihm entgegenschlug, sagte er: „Das Licht der Vernunft ist gekommen, um der Bevölkerung der Erde zu zeigen, daß die Würde des neuen Menschen mit jedem Tag größer wird. Nach den dramatischen Ereignissen, die seit meiner Rückkehr aus dem Bazinski-Cluster sich förmlich überstürzt haben, kommen wir jetzt in eine Phase der Beruhigung.
Aus dieser Ruhe werden wir alle die Kraft und die Kenntnisse gewinnen, um unseren Planeten aus dem drohenden Zugriff des Schlundes zu befreien. Zuvor habe ich noch einige administrative Pflichten zu erledigen ..."
Sergio merkte plötzlich, daß es ihn zu schwindeln begann.
Seine Stirn bedeckte sich mit Schweißperlen. Die Gedanken begannen plötzlich zu wirbeln, und für einen Sekundenbruchteil erkannte Sergio zwei verschiedene Wirklichkeiten, die sich übereinander schoben und dann eine andere, neue Wirklichkeit ergaben. Ihm war, als habe er blitzartig eine neue Seinsidee, als würde sich ab jetzt sein Verstehen grundlegend geändert haben.
Wie in einem starken, plastischen Traum in Farbe nahm er die Worte Casalles wahr, sah zu, wie sich zwischen den Wachgebäuden die Mauer aus Energie öffnete und die erwarteten Gleiter mit der rund zweihundert Mann starken Delegation einließen.
Roi Danton schickte die Abordnung, um schnell die Gefangenen abholen zu können!
Aber ... es war ganz anders!
Die Einsicht der Wahrheit kam über Sergio Percellar wie eine zweite Sonne. Das „Licht der Vernunft" ...
Die Immunen waren die Gefahr! Es war gut, die Organisation zu schwächen, denn alle diejenigen, die nicht gegen Casalle kämpfen konnten, würden die Vernunft und die Logik weiter ausbreiten und die Erde retten! Sergio merkte, daß er sich langsam in Marsch setzte und auf die Gleiter zuging, die sich hinter dem Halbkreis der Wartenden aufstellten. Alle seine Leute - auch das sah er nach einem kurzen Rundblick - handelten ebenso. Der wahre Feind war dort!
Neue Gefangene!
Gefangene, nicht Tote! Sergio stellte den Hebel seiner Waffe um und zog den Kombistrahler aus der Tasche. Während die OGN-Leute nichtsahnend aus den Gleitern kletterten und näher kamen, wurden sie von Percellars Einsatzkommando umringt und entwaffnet. Einige Paralysatorschüsse fauchten auf. Casalle sprach weiter, und Kameras schwenkten herum, um diese bestürzenden Bilder aufzunehmen. Casalle änderte den Wortlaut seiner Rede und erklärte -
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