0737 - Asha Devis Höllenfahrt
Bedauern in der Stimme.
Die nächste Meldung kam aus Uganda.
Zamorra schaltete die Flimmerkiste ab.
Der Dämonenjäger und seine Gefährtin schwiegen. Sie hatten in letzter Zeit Freunde und Weggefährten verloren, die ihnen vertrauter und auch sympathischer gewesen waren als die stets aufbrausende, rechthaberische und egoistische Asha Devi.
Andererseits war die indische Polizistin stets eine furchtlose Kämpferin gegen das Böse gewesen, hatte ihre Mitmenschen ohne Rücksicht auf das eigene Leben vor den Dämonen beschützt.
»Ich frage mich, ob Ashas Tod ein Zufall war«, dachte Zamorra laut nach.
»Die Kämpfe zwischen Hindus und Moslems dauern in Indien schon seit ein paar Tagen an, Cheri. Es hat auch schon mehrere Tote gegeben. Allerdings ist Asha die erste Polizistin, die es erwischt hat. So hieß es jedenfalls eben noch in der Glotze.«
»Schon klar, Nici. Aber du weißt, dass Asha sich stets als Liebling der Götter verstanden hat. Ich verstehe nicht ganz, warum ihre mächtigen Freunde ihr nicht geholfen haben.«
»Vielleicht hat sie sich die Gunst der Götter ja verscherzt, Chef. Du weißt doch selbst, wie verletzend und gemein sie sein kann.«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ihre Sonderstellung bei den Göttern ihrer Heimat war das Einzige, auf das Asha Devi wirklich stolz war.«
»Wir haben sie einige Zeit nicht gesehen, Chef. Wir wissen nicht, was in der Zwischenzeit geschehen ist.«
In diesem Moment änderte sich die Atmosphäre in dem Hotelzimmer. Es wurde heißer, ohne dass es einen erkennbaren Grund dafür gab.
Zamorra griff nach seinem Amulett, das er wie immer an einer Kette um den Hals trug. Das Kleinod war vor fast einem Jahrtausend vom Magier Merlin aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen worden.
Und das Amulett warnte den Dämonenjäger üblicherweise vor schwarzmagischer Aktivität. Doch in diesem Moment verhielt es sich ruhig.
Natürlich waren auch Nicole die Veränderungen nicht entgangen.
»Vielleicht stimmt ja was mit der Klimaanlage nicht«, witzelte sie. Dabei war ihr genau wie Zamorra völlig klar, dass hier etwas Übersinnliches geschah.
Denn es blieb nicht bei der Temperaturänderung.
Plötzlich erklangen auch Töne aus dem Nichts, wie man sie in einem modernen Luxushotel nicht unbedingt erwarten würde.
Unsichtbare Trommeln wurden geschlagen. Der Rhythmus war langsam und feierlich. Ein paar Minuten lang ertönte eine schwermütige, fremdartige Melodie.
Dann brach die Musik abrupt wieder ab.
Und ein alter Mann, ein dürrer Turbanträger, materialisierte sich mitten in dem Hotelzimmer!
»Sei mir gegrüßt, Shiva«, sagte Zamorra zu dem unerwarteten Gast.
***
Shiva!
Der Mondgott der Berge erschien in der Inkarnation, in der Zamorra ihn bereits kennen gelernt hatte. [3] Er zeigte sich als ein dürrer Greis mit einem Turban auf dem Kopf. Allerdings war es eindeutig, dass Zamorra und Nicole kein Mensch aus Fleisch und Blut gegenüberstand.
Wie eine Projektion wirkte das menschliche Abbild, das der Gott Shiva von sich selbst in das Hotelzimmer gesandt hatte.
»Ich habe mit meinem Besuch gewartet, bis du und deine Gefährtin von Asha Dèvis Tod erfahren habt«, sagte die seltsame, körperlose Stimme des Gottes.
»Deshalb bist du also hier?«
»Ja, Zamorra.«
»Warum musste die Polizistin sterben? Wer steckt dahinter?«
Shiva lachte leise.
»Du bist ein kluger Mann, Zamorra. Du hast sofort begriffen, dass nicht ein verirrtes Geschoss Asha Devis jetzige Daseinsform beendet hat… Asha Devi ist gestorben, damit sie ihre Treue zu uns, den Göttern, beweisen kann.«
Zamorra wusste aus Erfahrung, dass die Gründe, die Götter für ihr Handeln haben, für Menschen nicht immer nachvollziehbar sind.
Abwartend schaute der Dämonenjäger das dreidimensionale Abbild des Gottes an. Auch Nicole hatte eine abwartende Haltung eingenommen.
»Kali, meine zerstörerische Gattin, zweifelt Asha Devis Loyalität an«, fuhr Shiva fort. »Diese Herausforderung konnte Brahma natürlich nicht hinnehmen. Also hat er bestimmt, dass Asha Devi in die Höllenschlünde hinabgeworfen wird. Damit sich zeigen wird, dass sie auch in großer Bedrängnis nicht den Göttern abschwört.«
Zamorra atmete tief durch.
Es kam ihm grausam vor, eine so treue Götterdienerin wie Asha Devi in die Abgründe des Bösen zu stürzen, obwohl sie nichts Schlechtes getan hatte. Aber die Götter folgten ihren eigenen Gesetzen, das hatte er schon oft genug feststellen
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