074 - MARBU - Die Kraft des Todes
verraten, daß es darauf auch nicht mehr ankam.
Doch wir sollten die Antwort nicht mehr bekommen.
Die Hütte hatte ein einziges Fenster. Dort tauchte ein weißes Gesicht auf. Nicht das Gesicht eines Weißen, sondern das eines Negers, weiß beschmiert.
Der Kerl besaß ein Blasrohr.
Anscheinend hatte es sich schnell herumgesprochen, daß wir Bula suchten, und auch der Grund schien gewissen Leuten zu Ohren gekommen zu sein.
Ich wollte Bula noch herumreißen, damit der Schuß daneben ging, aber ich schaffte es nicht.
Schon raste der Tod aus der kleinen Öffnung…
***
Colin Nabors nahm noch einen Zug von seiner Zigarette, bevor er sie auf den Boden warf und mit den Stiefel austrat. In der Nähe kreischte eine Pavianherde im Busch, und Vögel versuchten die Affen zu überschreien. So schaukelten sich die Tiere mit ihrem Lärm gegenseitig hoch. Seit undenklichen Zeiten war das schon so, und so würde es wohl immer bleiben, wenn der Mensch die Tiere in Ruhe ließ.
Nabors, ein großer, kräftiger Mann, lächelte schief. Er hatte schon eine Menge Jobs hinter sich, war Lastwagenfahrer und Großwildjäger gewesen, hatte seine Arbeitskraft in mehreren Nationalparks zur Verfügung gestellt, war Tierfänger gewesen und hatte als Buschpilot einen bekannten englischen Wissenschaftler und Verhaltensforscher kreuz und quer durch die afrikanischen Lüfte kutschiert.
All das hatte Colin Nabors in seiner wilden Zeit getan, wie er selbst sagte. Heute war er Anfang dreißig, etwas ruhiger geworden, lebte in England und schrieb Abenteuerbücher, die ausschließlich in Afrika spielten, weil er sich auf diesem Kontinent hervorragend auskannte.
Dieser neue Beruf brachte ihn eines Tages mit der Verlegertochter Samantha Karras zusammen, und das hübsche blonde Mädchen gefiel ihm auf Anhieb.
Heute waren sie so gut wie verlobt, und Samantha interessierte sich sehr für Colins Arbeit.
Es lag ein paar Monate zurück, da erzählte er ihr eine Geschichte, die sie faszinierte und nicht mehr losließ. Er sprach von einem Missionar namens Juan Sebastio aus Portugal.
Als man 1593 in Mombasa mit dem Bau der portugiesischen Festung Fort Jesus begann, war Juan Sebastio dabei. Er war es gewesen, der seinen Landsleuten empfahl, Maniok, Tomaten, Erdnüsse und Tabak einzuführen, und man hörte auf seinen Rat.
Er aber blieb nicht in Fort Jesus, sondern zog mit einigen wenigen Glaubensbrüdern nach Nordwesten, um die Schwarzen zu bekehren.
Ein großes goldenes Kreuz trug er bei sich, und wohin er auch kam, überall steckte er als erstes dieses Kreuz in den Boden, um auf diese symbolische Weise für seinen Herrn das Land in Besitz zu nehmen.
Das goldene Kreuz - mehr als einen Meter groß und fast ebenso breit - war Juan Sebastios treuer Begleiter gewesen. Ein Symbol des Guten, wertvoll und rein.
Viele Eingeborene konnte der Missionar damals bekehren, doch nicht alle Stämme waren ihm wohlgesinnt. Manchmal wurden er und seine Begleiter überfallen und gefangen genommen, aber sie entrannen immer wieder dem Tod, und Juan Sebastio schwor, daß er das nur seinem goldenen Kreuz zu verdanken hatte. Bald hieß es, Zauberkräfte würden diesem Kreuz innewohnen, und Juan Sebastio widersprach diesen Gerüchten nicht, denn es war ihm recht, daß das schwarze Volk seinem Kreuz mit Ehrfurcht begegnete.
Abgesehen von dem Kreuz war er ein armer Mann gewesen, und er starb in Frieden.
Das Kreuz verschwand nach seinem Tod. Manchmal wurde es angeblich gesehen, und aus Gerüchten wurden Legenden. Niemand wußte genau, wohin das goldene Kreuz gekommen war.
Manche behaupteten, die Kigussi, ein wilder, grausamer Stamm, der im Dschungel lebte, hätten das Kreuz von bösen Zauberern entweihen lassen und es zu einem schwarzen Symbol gemacht, indem sie es umdrehten, also auf den Kopf stellten.
Bei den Kigussi sollte es sich immer noch befinden, und Samantha Karras hätte die Idee gehabt, im afrikanischen Urwald nach dem Kreuz des Missionars zu suchen.
Colin Nabors hatte zunächst geglaubt, Samantha würde sich nur kurze Zeit für diese Idee begeistern, doch bald erkannte er, daß er sich irrte.
Er machte sie darauf aufmerksam, daß eine Expedition in den afrikanischen Busch nicht ungefährlich und auch nicht billig wäre. Doch Samantha hatte bereits mit ihrem Vater gesprochen, und der hatte sich bereit erklärt, die Expedition zu finanzieren. Er tat dies nicht nur deshalb, weil er seiner hübschen Tochter keinen Wunsch abschlagen konnte, sondern mehr noch deshalb,
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