0740 - Todesgruß der Templer
aus der er plötzlich herausgerissen wurde, weil von der, linken Seite her ein donnerndes Geräusch aufklang, als sich der Zug wie ein Ungeheuer näherte.
Der Zug fuhr auf dieser Strecke nicht sehr schnell, dennoch überkam Rick der Eindruck, als würde der Luftzug, den die stählerne Schlange verursachte, seinen Wagen schütteln.
Das Messer blieb.
Der Zug raste vorbei.
Rick war innerlich verkrampft. Und diese Krämpfe bereiteten ihm Schmerzen. In seinem Inneren spürte er das Ziehen und Stechen, als wären zahlreiche Hände dabei, ihn zu zerrupfen. Marion hatte ihn gewarnt, er hatte sie ausgelacht, doch plötzlich sah er diese Warnung aus ganz anderen Augen.
Das Messer hatte er sich nicht eingebildet. Es war so verflucht echt, und es zuckte in seiner Hand, einfach nach der Klinge zu fassen und sie an sich zu nehmen.
Die Schranke schwang hoch.
Er schaute ihr nach, ohne sie richtig zu sehen. Der Zug war längst verschwunden und nur mehr Erinnerung.
»Fahr los! Fahr über die Schienen hinweg und dann den ersten Weg nach rechts!«
Der Mann wußte nicht, wer gesprochen hatte. Die Flüsterstimme war einfach da gewesen, nur konnte er keine Person entdecken, zu der sie gehört hätte.
Es war schlimm…
Ein Unsichtbarer?
Er dachte wieder an den Killer, an die Toten, dann wurden seine Gedanken jäh durch das laute Hupen hinter ihm unterbrochen, und Nigel merkte erst jetzt, daß die Schranke senkrecht stand und er längst freie Fahrt hatte.
Er stellte den Motor wieder an, keuchte dabei. Die Bewegungen folgten einem Automatismus. Er konnte nicht einmal richtig denken, die Angst war zu stark.
Rick fuhr an.
Der Sierra holperte vor, überquerte die Schienen. Reifen humpelten über altes Holz hinweg, Dunst lag links und rechts wie Watte im Gelände. Die Scheinwerfer waren blasse Augen, auch die des Sierras, der schon nach kurzer Fahrtstrecke nach rechts gelenkt wurde, denn dort, ziemlich dicht hinter dem Bahndamm, führte der Weg in ein Feld hinein, das wie flach gepreßt den Boden bedeckte und den Dunst beinahe festzuhalten schien.
Er fuhr, er schaute nach vorn. Seine Augen brannten plötzlich, als hätte jemand Säure hineingetropft. Die Angst ließ ihn würgen, und das Messer war noch immer in seiner Nähe.
»Anhalten!«
Obwohl leise gesprochen wurde, füllte die Flüsterstimme den Wagen völlig aus.
Rick stoppte.
Mein Gott, dachte er, hier bist du verloren. Hier bist du völlig allein. Von allen verlassen. Hier kann dir niemand mehr helfen. Hier kann man dich abstechen…
»Motor aus!«
Auch das tat er. Das Messer war näher an ihn herangekommen. Er schielte nach links, er fürchtete sich, die Klinge strahlte eine widerliche Boshaftigkeit aus, die schon an Mordgier grenzte.
»Steig aus!«
Rick löste den Gurt. Seine Hand bewegte sich auf die Tür zu. Sie zitterte, doch gleichzeitig schoß ein Adrenalinstoß durch seinen Körper. Wenn er überhaupt eine Chance hatte, dann jetzt.
Die Tür aufstoßen, sich rauswerfen, in den Dunst hineinrennen und versuchen, ein Versteck zu finden. Vielleicht einen Bogen schlagen und zu einem Haus laufen, wo er Menschen fand, die ihn verstecken konnten.
Er drückte die Tür nach außen. Langsam oder normal. Dann aber schnell. Ein heftiger Stoß, und mit der gleichen Heftigkeit schleuderte er seinen Körper nach draußen.
Er fiel hin. Nasses, hohes Gras umfing ihn, es war glatt, er kam trotzdem hoch und rannte.
Rick drehte sich nicht um, er lief weg, hinein in den Dunst, in die graue Dämmerung, parallel zum Bahndamm entlang, keuchend, mit einem verzerrtem Gesicht und weit geöffnetem Mund, über dessen Lippen sein Atem stoßweise kam und sich mit dem Nebel vermischte.
Das war zu schaffen!
Es mußte zu schaffen sein!
Den Bogen schlagen, hämmerte es in seinem Kopf. Du mußt den verdammten Bogen schlagen.
Er kam herum.
Das Messer war schneller.
Vor sich hörte er ein Fauchen, dann erschien es wie aus dem Nichts, auch die Flüsterstimme hörte er.
»Es ist vorbei…«
Die Klinge raste auf ihn zu.
Sie traf ihn, sie bohrte sich tief in seinen Körper. Rick fiel zu Boden. Er sank in das weiche Gras, ohne die Nässe zu spüren, denn er spürte überhaupt nichts mehr. Er konnte auch nichts sehen, weil ihn schwarzrote Nebel umwaberten. Als letzten Eindruck nahm er den Blutgeschmack mit hinüber in die andere Welt…
***
Im feuchten Gras lag eine leblose, einsame Gestalt. Nebelschwaden umspielten sie, berührten die bleiche Haut mit ihren nassen Händen, als wollten
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