0740 - Todesgruß der Templer
Ricks wohnten in einem ländlich wirkenden Gebiet am Rand Londons. Nigel hatte lange zu fahren, bis er Soho erreichte.
Den Koffer hatte er neben sich auf den Beifahrersitz gestellt. Es waren nur relativ wenige Fahrzeuge unterwegs. Hin und wieder wurde er überholt, auch er überholte,, blieb zumeist auf der linken Seite und hielt sich an die Tempolimits.
Er wollte nachdenken.
Er mußte nachdenken.
Die Morde ließen ihn nicht los. Diese Taten quälten ihn ebenso wie die anderen aus der Bruderschaft. Zwar sprachen sie nicht darüber, aber wenn sie redeten, dann sehr intensiv. Und am heutigen Abend sollte das Thema durchdiskutiert und möglicherweise Maßnahmen beschlossen werden, was dagegen zu tun war.
Schon jetzt konnte er für die anderen mitsprechen. Sie fühlten sich ebenso hilflos wie er.
Die fünf Männer kamen sich vor, als würden sie in einer großen Falle stecken, die sich immer verdichtete und sie der Reihe nach hinraffte.
Das Wetter war mies.
Die Wolken hingen schwer am Himmel. Regen hatte die Straßen nicht nur naß, sondern an einigen Stellen auch glatt gemacht. Manchmal lagen Pfützen auf der Fahrbahn, die wie Augen von gewaltigen Monstern schimmerten. Das Licht der Scheinwerfer brach sich auf der Oberfläche, bevor diese durch die Räder zerrissen wurden, so daß zu beiden Seiten Fontänen in die Höhe spritzten.
Dieser Abend gehörte zu denen, die man am besten abhakte, aber das war ihm nicht möglich.
Er mußte zum Treffen, er mußte!
Nigel fuhr sehr vorsichtig. Die Warnung seiner Frau hatte er vergessen.
Licht,, das blendete, schlechte Sicht, mal große Dunstfelder, die er durchfahren mußte. Es machte ihm beileibe keinen Spaß, hinter dem Lenkrad zu sitzen.
Er spürte noch den Geschmack des Kaffees im Mund. Sehr bitter, als wäre er noch einmal aufgewärmt worden.
Plötzlich hatte er das Gefühl, nicht mehr allein im Fahrzeug zu sein. Es war einfach da, es gab keinen Grund, er hatte nichts gesehen. Doch über Nigels Rücken rann ein Schauer, der aus zahlreichen kleinen Spinnenbeinen bestand.
Er verringerte die Geschwindigkeit, fuhr langsamer weiter, holte einige Male tief Luft, schalt sich einen Narren und mußte dann stoppen, weil das rote Licht einer Signallampe ihn vor einem Bahnübergang warnte, dessen Schranken dabei waren, sich allmählich nach unten zu senken.
Rick wartete.
Er war der erste Wagen vor der Schranke. Ein Blick in den Innenspiegel zeigte ihm, daß sich ein zweites Fahrzeug langsam an das seine heranschob.
Das Gefühl, nicht allein im Wagen zu sein, war trotzdem geblieben. Er schalt sich zwar einen Narren, als er sich drehte, aber er mußte es einfach tun.
Niemand saß auf den Rücksitzen. Nur das Parfüm seiner Frau schwebte noch wie der Hauch einer Erinnerung in der Fahrgastzelle.
Rick wartete.
Der Zug kam noch nicht.
Die Warnlampe glühte wie ein unheimliches Auge.
Er schwitzte.
Seine Hände wischte er an der Hose ab. Rechts und links vor ihm verliefen die Gleise. Sie stießen in die graue Dämmerung hinein, als wäre die Unendlichkeit ihr Ziel.
Noch immer ließ der Zug auf sich warten.
Sein Gefühl blieb. Es verstärkte sich sogar. Am liebsten wäre er ausgestiegen und hätte die feuchte Luft geatmet. Über die Schienen trieb der Dunst. Er sah schwer aus, weil er sich eben so träge bewegte und so floß wie ein Strom ohne Ende.
Etwas fauchte.
Links von ihm, über dem Sitz des Beifahrers, zu dem Rick sich hindrehte.
Er sah das Messer!
Alles wurde innerhalb einer Sekunde zu Eis. Der Wagen, er selbst, sogar sein Blut. Der Vorgang war für ihn nicht erklärbar, das brauchte er auch nicht, er schaute nur das Messer an. Eine verfluchte, lange Klinge, schon mehr ein Dolch, gar nicht mehr so blank, mit dunklen Flecken benetzt, die durchaus von getrocknetem Blut her stammen konnten.
Er dachte an seine toten Brüder!
Wie waren sie noch gestorben? Durch Stichwunden, hatte es geheißen. Jemand hatte sie durch Messerstiche getötet.
Und ein derartiges Messer schwebte vor ihm. Die Spitze glotzte ihn an. Sie war genau auf sein Gesicht gerichtet. Wenn sie sich nach vorn bewegte, würde sie es zerstechen.
Im Wagen war es still wie in einem Grab, weil auch Nigel es kaum wagte, Luft zu holen. Er atmete nur sehr flach durch die Nase und spürte beim ausatmen, wie die Luft über seine Oberlippe floß und die Lippen streifte.
Er konnte nichts tun, er hätte es auch nicht gewollt, denn die Klinge jagte ihm Angst ein. Er kam sich hilflos vor in seiner Erstarrung,
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