0740 - Todesgruß der Templer
nur kleiner und mit weniger Fenstern ausgestattet. Er endete oben in einer Wehrmauer, die aus Lücken und Steinen bestand und so eine runde Bastei bildete.
Ein schmaler Turm schob sich an der linken, hinteren Seite der Kirche in die Höhe, als wollte uns ein Finger mit spitzem Nagel drohen, nur nicht zu nahe an das Gebäude heranzutreten.
Rechts, wo auch der Eingang lag, war noch ein kleines Gebäude angebaut worden. Nach vorn hin offen und mit einem zur rechten Seite abfallenden Dach.
Das alles war uns bekannt, und es lag auf der Hand, daß uns die Erinnerung überkam.
Sie wollten wir auf keinen Fall weiter verfolgen, denn der neue Fall war wichtiger.
Noch hatte sich keiner der fünf Männer blicken lassen. Suko und ich waren ziemlich früh eingetroffen, denn wir wollten auf keinen Fall etwas versäumen.
Träge verging die Zeit.
Niemand interessierte sich für die Kirche. Weiter hinten schimmerten Lichter wie schwammige, gelbweiße Flecke in den Fensteröffnungen. Wer hier lebte, der interessierte sich nicht für die Kirche, der hatte andere Sorgen.
Wir suchten den »Feind«.
Als Feinde sahen wir die Kräfte an, die gegen uns standen. Nicht nur in diesem Fall, sondern immer.
Wir konnten uns beide nicht erklären, welche Zusammenhänge da existierten, wieso es möglich war, daß sich ein Dolch, ohne gehalten zu werden, auf den Weg machte, daß er blitzschnell erscheinen konnte, praktisch aus dem Unsichtbaren heraus. Es war nur möglich, wenn in ihm eine besonders starke Magie verborgen war.
Darüber hatten wir gesprochen und waren beide zu demselben Ergebnis gekommen.
Es mußte eine Magie sein, über die auch dieser Kalif Harun El Basra Bescheid gewußt hatte. Er war der Besitzer dieses Dolche gewesen, und die Templer hatten ihm die Waffe damals auf einem der Kreuzzüge abgenommen, weil sie genau wußten, welche Gefahr in dieser verfluchten Klinge steckte. Natürlich war es nicht rational zu erklären, aber wer wußte schon, welche Geheimnisse sich noch in der alten orientalischen Magie verbargen? Ich jedenfalls war da überfragt, und Suko erging es ähnlich.
Wir warteten.
Die Zeit verstrich träge, kam uns natürlich doppelt so lang vor. Zudem hüllte uns die Feuchtigkeit ein. Das war ein Wetter, um sich eine Erkältung zu holen.
»Bleibt es bei unserem Plan?« fragte Suko.
»Warum nicht?«
»Kann ich dir nicht sagen, John. Ich habe das Gefühl, als hätten wir etwas falsch gemacht.«
»Und was, bitte?«
»Weiß ich auch nicht.« Er lachte leise. Es klang bitter. »Wenn ich mir vorstelle, daß sich der Dolch plötzlich in der Templerkirche materialisiert, dann wird mir ganz anders. Da müßten wir schon mit einem Toten rechnen.«
»Deshalb werden wir auch hineingehen. Aber später, wenn die fünf Männer sich da zusammengefunden haben.«
»Okay, wie du meinst.«
»Nicht so gut?«
Suko strich über seine Stirn. »Abwarten und…« Er drehte den Kopf nach rechts. Seine Stimme war kaum zu verstehen, als er sagte. »Ich glaube, da kommen sie…«
***
Im Krankenhaus hatte man sich wirklich Mühe gegeben bei der Behandlung der Verletzung. Sir Dean Ellroy hatte zwei Spritzen bekommen, so daß sich die Schmerzen in der nächsten Zeit nicht mehr zurückmelden würden. Auch war er mit einem neuen Verband »ausgerüstet« worden, der fester saß als der erste.
Er konnte gerade noch seine Finger bewegen, hatte sich noch einmal zu seiner Wohnung zurückfahren lassen und dort einen Koffer geholt, in dem sich das Gewand befand.
Er hatte sich seine Frau nicht mehr angeschaut. Für ihn war dieses Leben vorbei. Er würde das Haus verkaufen und sich woanders zur Ruhe setzen, vielleicht sogar im Ausland.
Nur eines wollte er noch.
Der Killer mußte gefunden werden. Er durfte nicht mehr weitermorden. Dieser Dolch war eine grauenhafte Gefahr für die Menschen, in ihm steckte ein unheilvoller Geist, ein Dschinn aus dem Orient, aber es mußte auch jemand geben, der ihn führte.
Wer hätte denn sonst in seiner Nähe geflüstert?
Mit all diesen Problemen beschäftigte sich der Anwalt auf dem Weg zu seinem Ziel. Er hatte sich vorgenommen, seinen Freunden vom Tod seiner Frau nichts zu verraten. Auch den Angriff auf sich würde er mit einer Ausrede erklären, denn sein weißer Verband an der rechten Hand fiel einfach auf.
Ellroy fuhr durch den Abend, durch den Nebel und die graue unheimliche Dämmerung. Es gab in Soho tatsächlich noch enge Gassen und Straßen, regelrechte Verstecke, die jetzt dunsterfüllt waren
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