0740 - Todesgruß der Templer
schon war er reich.
Malraux hätte gern mehr mitgenommen, doch er konnte soviel auf einmal nicht tragen. Doch die Goldstücke würden ausreichen als Start für die neue Zukunft.
Noch einmal gab er seinem Dolch einen Befehl.
Der reiche Kaufmann starb mit einem letzten Wimmern auf den Lippen.
Malraux verließ das Haus. Erst jetzt, das fühlte er, stand ihm die ganze Welt offen.
Und so verschwand er aus dem Süden Frankreichs und tauchte unter. Doch seine Spuren hinterließ er doch immer wieder, auch wenn diese eben nur für Eingeweihte sichtbar waren…
***
Sir Dean Ellroy faßte das seidene Laken an den beiden Händen an und hob es hoch.
Für einen Moment schwebte es wie ein flatternder Engel über seiner toten Frau, die so bleich und starr auf seinem Bett lag, ebenfalls ein seidenes Nachtgewand trug, in dessen Mitte, genau in Höhe des Herzens, sich ein roter Fleck abmalte, denn dort hatte sie das tödliche Instrument getroffen.
Die Decke fiel nach unten.
Sie breitete sich über die gesamte Gestalt der Toten aus, als sollte Eireen aus der Erinnerung ihres Mannes gelöscht werden.
Sir Dean verließ mit schweren Schritten den gemeinsamen Schlafraum. Natürlich mit dem Gedanken an Eireen und auch daran, daß keiner seinem Schicksal entrinnen konnte.
Auch er nicht…
Er ging durch sein Stadthaus und dachte daran, wie ungewöhnlich leer es ohne Eireen war.
Er hatte das Personal weggeschickt, nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und vergrub sein Gesicht in beiden Händen. Er weinte, er weinte um Eireen, die an seiner Stelle gestorben war, denn es hatte ihn treffen sollen.
Nur weil Eireen in der Nacht das Bett gewechselt hatte, hatte sie der Tod erwischt. Er war im Club gewesen und hatte auch dort übernachtet. Eireen hatte Bescheid gewußt und nichts gesagt. Sie hatte nie viel gesprochen, ihn aber unwahrscheinlich geliebt, ebenso wie er sie.
Jetzt war sie tot.
Umgebracht durch einen Fluch, den es eigentlich nicht geben durfte. Durch eine Waffe, die vorhanden, aber nicht zu sehen war, die durch teuflische Kräfte gesteuert wurde, und er gehörte zu den wenigen Personen, denen dies bekannt war.
Jemand hatte sie wieder hervorgeholt. Jemand wollte, daß diese Waffe eine gewisse Gruppe von ehrenhaften Männern brutal dezimierte, und er wußte, daß einige aus seiner Bruderschaft schon den Tod gefunden hatten. In den Staaten, in Asien, einer in Berlin.
Und jetzt er.
Sir Dean Ellroy atmete schwer. Er war ein hochgewachsener Mann mit schwarzgrauen Haaren, einem schmalen Gesicht und scharfen Falkenaugen, die einem anderen Menschen bis auf den Grund der Seele schauen konnten. Davon war nichts mehr übriggeblieben.
So wie er an seinem Schreibtisch hockte, wirkte er leer und verbraucht, ausgemergelt, verlassen, mehr tot als lebendig, ein Mensch, der sich in sein Schicksal ergeben hatte.
Nur dachte er nicht so sehr an sich, sondern mehr an die Bruderschaft, der er angehörte. Dieses Töten mußte gestoppt werden, es durfte nicht noch mehr Opfer geben. Bisher hatten sie es in der Bruderschaft verstanden, die Probleme selbst zu lösen. Das war nicht mehr möglich, denn die andere Seite war einfach zu stark.
Er brauchte Hilfe, sie brauchten Hilfe.
Doch wer war so stark, um es gegen diesen alten Fluch aufnehmen zu können?
Als Sir Dean aus seiner Trance erwachte, hatte er das Gefühl gehabt, erst Minuten am Schreibtisch gesessen zu haben. Statt dessen waren es mehr als zwei Stunden gewesen.
Er stand auf und zitterte so stark, daß er sich an der Lehne seines Stuhls festhalten mußte. Tief atmete er durch. Seine Kehle war ausgetrocknet, die Augen brannten vom langen Weinen. Sicherlich waren sie auch gerötet, aber das machte ihm nichts. Er war nicht mehr eitel, es lohnte sich nicht mehr.
Eireen war tot!
Wie ein brutaler Hammerschlag erwischte ihn dieser Gedanke. Seine Frau, die ihn mehr als zwanzig Jahre auf seinem Weg begleitet hatte, lebte nicht mehr. Sie war für ihn gestorben, denn ihn hatte der Tod treffen sollen.
Welcher Tod?
Er wußte es. Er kannte die Waffe, die dafür gesorgt hatte. Aber wer würde es ihm abnehmen? Wenn er zur Polizei ging und dort erklärte, was die Ursache sein konnte, würde man ihn auslachen und wegschicken. Vielleicht sogar einsperren, nein, das war kein Fall für die Polizei, nicht für die normale.
Er ging dorthin, wo sich in der eingebauten Holzwand die gut bestückte Bar befand.
Sie enthielt nicht nur alkoholische Getränke, es standen auch Säfte und Mineralwasser bereit.
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