0742 - Mein Bruder, der Dämon
McPherson kam es hauptsächlich darauf an, so viel wie möglich in Ashas Nähe zu sein. Ihm graute schon vor Tag und Stunde, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren würde. Und das würde geschehen. Da war sich der Schotte sicher.
Oder konnte er vielleicht Ashas Liebe gewinnen? Damit sie bei ihm bliebe? Für immer?
McPherson lächelte verträumt. Bis vor wenigen Stunden hatte er noch nicht einmal gewusst, dass es die Inderin gab. Und nun konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen!
Der Constable musste über sich selbst lächeln. Aber das endete nichts an seinen Gefühlen für Asha Devi.
McPherson tastete nach seinem Handy. Hatte es den Sturz gut überstanden? Jedenfalls bekam er sofort eine Leitung. Der Polizist überlegte. Sollte er das Präsidium in Glasgow anrufen und um Verstärkung bitten? Aber was konnte er den Kollegen mitteilen? Dass er in ein Erdloch gefallen war und Hilfe brauchte?
Nein, das kam nicht in Frage. Jedenfalls vorerst nicht. McPherson schlich langsam und so lautlos wie möglich durch die langen düsteren Gänge. Er leuchtete mit der Taschenlampe vor sich her.
Seine Gedanken kreisten immer noch um Asha Devi. Der Schotte hoffte von ganzem Herzen, dass ihr nichts geschehen war…
***
Police Inspectorin Asha Devi rappelte sich fluchend auf.
Zum Glück war sie bei der schwarzmagischen Attacke ihres dämonischen Bruders unverletzt geblieben. Aber Suras Kräfte durfte sie auf gar keinen Fall unterschätzen.
Asha hatte ihre weißmagische Waffe im festen Griff. Sie konnte die Gebetsmühle im Handumdrehen aktivieren. Das war auch nötig, um den Kampf gegen ihren Bruder bestehen zu können.
Die Inspectorin erschrak vor ihren eigenen Gedanken. So feige war sie in ihrer ganzen Polizeilaufbahn noch nicht gewesen. Eigentlich war Asha Devi nicht nur keine Angsthäsin, sondern sogar ausgesprochen mutig.
Aber die Begegnung mit ihrem Bruder hatte sie innerlich aus der Bahn geworfen. Oder besser gesagt, mit dem, was Sura einmal gewesen war. In ihrer Vision hatte Asha Devi ja miterleben müssen, wie Sich ihr Bruder in etwas anderes verwandelt hatte.
Sura war nun eindeutig kein Mensch mehr, sondern ein Dämon. Und trotzdem fühlte Asha Devi eine innere Verbundenheit mit ihm. Der Gedanke, ihn vernichten zu müssen, erfüllte sie mit Schrecken. Und mit einer Furcht, die sie bisher noch nicht gekannt hatte.
Höchstens einmal, vielleicht.
Damals, als sie noch ein kleines Kind gewesen war. Und ihr Vater sie den Göttern als Opfer bringen wollte…
Asha Devi schüttelte die Erinnerung an diese furchtbare Nacht ab wie einen bösen Traum.
Sie hob ihre Taschenlampe auf, die zum Glück nicht erloschen war, und eilte weiter durch die düsteren Gänge von Angelheart Castle.
Asha hoffte, ihren Bruder einholen und stellen zu können.
Und gleichzeitig wünschte sie es auch nicht.
Gerne hätte Asha Devi Zwiesprache mit den indischen Göttern gehalten, die auf dem Berg Meru lebten. Doch jetzt war keine Zeit für eine ausgiebige Anrufung. Höchstens für ein kurzes Stoßgebet.
Zum ersten Mal in ihrem Leben stand die Polizistin vor einer Aufgabe, der sie sich nicht gewachsen fühlte. Aber sie musste die Angelegenheit erledigen. Und zwar ein für alle Mal. Da gab es keinen Ausweg. Und niemanden, der ihr diese Last abnehmen konnte. Abgesehen davon, dass sie auch keine Hilfe wollte. Weniger als je zuvor.
Zamorra!
Asha Devi hasste den Dämonenjäger beinahe dafür, dass er und seine Gefährtin Nicole Duval hier auf Angelheart Castle herumspukten. Die beiden Franzosen wussten genau, dass Sura Asha Devis Bruder war! Was hatten sie sich in diesen Fall einzumischen?
Die Inspectorin regte sich so über Zamorra auf, dass ihre Aufmerksamkeit nachließ. Daher war sie unvorbereitet, als sie plötzlich von etwas angesprungen wurde!
Asha Devi verlor das Gleichgewicht, knallte zu Boden. Die Taschenlampe entfiel ihrer Hand. Aber wenigstens hatte sie noch ihre weißmagische Gebetsmühle.
Doch im nächsten Moment erkannte sie, dass ihr diese Waffe nichts nützen würde. Der Mann, der sie niedergerungen hatte, war kein Dämon. Im Schein der zur Seite gerollten Taschenlampe blickte Asha Devi in sein hass verzerrtes Gesicht. Sie sah die schmutzige Anstaltskleidung. Und das Messer in seiner rechten Faust!
Was für ein Glück ich habe!, dachte Asha Devi mit bitterer Ironie. Der Kerl ist kein Schwarzblütiger. Sondern nur ein sadistischer Gewaltverbrecher!
Sie versuchte, sich zu befreien, schaffte es aber nicht. Der
Weitere Kostenlose Bücher