0748 - Maori-Zauber
schimmernde Kristall würde seinen Willen Wirklichkeit werden lassen, wenn er sich genau genug vorstellen konnte, was geschehen sollte.
Es war unmöglich - das Monster Gankali beherrschte jeden seiner Gedanken.
Der Manivatu zog sich den Mantel von den Schultern, entfaltete ihn wie eine Decke und ließ ihn über Zamorras Kopf sinken.
Plötzlich fühlte Zamorra tiefen Frieden. Es gab keine Monster, keine Gefahr, keinen Schrecken. Es gab nur noch gelassene Ruhe.
Ein Bild formte sich in Zamorras Geist. Eine Grube. Eine tiefe trockene Grube, gefüllt mit staubigem Sand…
***
Als der Manivatu den Mantel wieder um die eigenen Schultern legte, starrte Zamorra auf seine Schuhspitzen, vor denen Sand in eine tiefe leere Grube rieselte.
»Ich muss zu Nicole! Ich muss dafür sorgen, dass sie den Stab in den See werfen kann!«, rief Zamorra noch halb betäubt.
»Welchen Stab?«, fragte der Manivatu scharf.
Zamorra zog den Stab aus der Tasche. »Diesen Stab wollte Grataka in seinen Besitz bekommen. Nicole hat das Gegenstück.«
»Grataka wollte den Stab, den du in der Hand hältst, um ihn zu vernichten. Er wurde in den Zeiten des Anfangs geschaffen, um den Wasserzauber zu bannen. Das Gegenstück wird den Wasserzauber wachsen lassen. Dann werde weder ich mit meiner Magie, noch die Taiha, meine Krieger, Grataka und seine Hakaris in Zaum halten können.«
Die Worte trafen Zamorra wie Schläge ins Gesicht. Es gab keine Chance mehr, rechtzeitig zur Staumauer zu gelangen.
Der Manivatu verstand seine Gedanken.
»Ein Taiha wird dich mitnehmen«, sagte er.
Bevor Zamorra Zeit fand, sich über diesen Satz zu wundern, wirbelte aus der dunklen Nacht ein Mann herab und landete wie eine Katze auf allen vieren. Aus der Ferne dröhnte eine Trommel. Der Mann packte Zamorra um die Taille, dann stieß er sich vom Boden ab und sprang in die Höhe.
Zamorra sah das Schloss unter sich verschwinden. Der Wind heulte in seinen Ohren, während sein Magen rebellierte. Da unten lag das Dorf, die schwarze Fläche des Sees, davor die Staumauer, zwei Personen…
Rasend schnell näherten sie sich.
Der Taiha setzte Zamorra sanft ab.
»Warte!«, schrie der Dämonenjäger seiner Kampfgefährtin zu.
Doch Nicole hatte den Stab bereits geworfen und schaute ihm hinterher -den Stab, der den Wasserdämonen alle Macht geben würde, die sie benötigten.
Das Maori-Artefakt stieg auf, flog auf die Wellen zu, die wie gierige Hände danach griffen und…
Dann verglühte der Stab im Blitzstrahl des magischen Amuletts.
Ein wütendes Heulen erklang aus dem See, mit vermehrter Wucht brandeten die Wellen über die Dammkrone.
Zamorra holte seinen Stab hervor, der Gratakas Zauber brechen würde -hoffentlich…
Der Dämonenjäger holte weit aus und schleuderte den Stock im weiten Bogen über das Wasser. Es gab ein leises Platschen, als er versank.
Bleierne Stille folgte.
Eine Stille, die durch ein lautes Rauschen beendet wurde.
Die Dämonenjäger und Abbé Chardin liefen zum Geländer und schauten auf die Landseite des Staudamms. Aus den Abflüssen schoss das Wasser in weitem Bogen in das Flussbett.
An der Tür des Kontrollhauses erschien der Maschinenwärter. Er rieb sich ein blaues Auge.
»Ich hätte die Ventile schon längst öffnen müssen«, erklärte er. »Aber ich muss ausgerutscht sein. Ich bin mit dem Kopf auf den Boden geschlagen und war die ganze Zeit total groggy.«
»Was soll's«, sagte Professor Zamorra mit Überzeugung. »Fast zu spät ist immer noch rechtzeitig. Ich kann ein Lied davon singen!«
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 744 »Im Land der Spinnen«
Weitere Kostenlose Bücher