0748 - Maori-Zauber
Zamorra kurz stehen blieb, um kurz Atem zu schöpfen, drehte sie sich zu ihm um und winkte ihm lächelnd zu.
Der Dämonenjäger stutzte.
Er hob das Amulett und verschob einige der Hieroglyphen.
Nicoles Augen weiteten sich, als sich ein Blitzstrahl von der magischen Waffe löste, da schlug ihr dieser bereits in die Brust.
Nichts als eine aufzischende Dampfwolke blieb von ihr übrig.
»Woher wusstest du, dass die nicht ich war?«, fragte die echte Nicole. Sie kam in diesem Moment aus einem Nebengang.
»An ihrer Bewegung«, antwortete Zamorra. »Sie führte exakt dieselbe Geste aus, die du oben an der Treppe gemacht hast. So ähnlich war es bei Huysmans. Sie können Menschen imitieren, aber diese Imitate können nur wiederholen, was die Originale irgendwann gesagt oder getan haben.«
»Wer immer sie sind«, seufzte Nicole.
Zamorra blickte an ihr vorbei. »Ich kann dir immerhin sagen, wo sie sind!«, schrie er und hob das Amulett.
Eine Wasserwand dröhnte durch den Gang, füllte ihn bis zur Decke. Der Luftzug, der ihr vorauseilte, ließ einige der Neonröhren Funken sprühend zerplatzen. Es blieb jedoch noch genug Licht, um hasserfüllte, verzerrte Gesichter zu erkennen, die die Dämonenjäger aus der Wasserwand anstarrten.
Zamorra und Nicole blieb nur noch der Versuch der Verteidigung, dann war das Chaos über ihnen. Sie wurden mitgerissen, herumgewirbelt, gestoßen und geprügelt.
Erst die Blitzstrahlen aus dem Amulett befreiten sie, ließen sie keuchend und nach Atem ringend in einer Wolke aus heißen Dampf wieder auf die Füße kommen.
Der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Schon schälten sich aus dem wabernden Dampf Krieger, die sich auf Zamorra und seine Gefährtin stürzten.
Die folgenden Minuten waren erfüllt von den Lichtblitzen, die aus der Mitte des Amuletts schossen, von Zischen und Dröhnen.
Die Stille, die schließlich eintrat, wirkte fast betäubend. Nicole schaute auf das Kondenswasser, das von der Decke tropfte.
»Ich nehme mal an, wir müssen uns was einfallen lassen«, sagte sie. »Sonst kommt gleich der Gong zur nächsten Runde.«
»So sehe ich die Sache auch.« Zamorra überlegte kurz, dann schnippte er mit den Fingern. »Sind wir nicht eben an den Öltanks für die Heizanlage vorbeigekommen?«
»Du willst doch wohl nicht…?« Nicole schluckte. »Und du meinst, das funktioniert?«
***
Abbé Chardin faltete die Hände und murmelte ein Stoßgebet. Dann rieb er sich die Augen. Aber auch danach sah er immer noch das gleiche Bild.
Immer noch die Wellen, die über den Weg auf der Mauerkrone schlugen. Wellen, die sich in menschliche Gestalten wandelten, die Köpfe und Arme und Hände hatten. Und die mit ihren Gliedern in die Fugen des Staudammes griffen, an den Steinen rissen und sie lockerten!
Nachdem er sich bekreuzigt hatte, hastete der Geistliche weiter. Erst als er schon fast die andere Seite erreicht hatte, wagte er, einen Blick auf den See zu werfen - und blieb wie angewurzelt stehen…
Im Licht der Blitze erkannte er es erst jetzt.
Da gab es keinen See mehr. Kein Wasser, keine Welle. Er sah nur das Wimmeln ungezählter Leiber. Wie eine Schlangengrube, wie das Nest eines Wurmes wirkte das Übereinander und Durcheinander zahlloser Glieder, von Armen, Beinen, Schultern und Köpfen. Oie Gesichter schauten den Geistlichen an, sie erkannten ihn, sie verzerrten sich vor Hass. Alles schob sich übereinander, drängte rücksichtslos gegen die Mauer, wälzte sich gegen dieses letzte Bollwerk. Die ersten Gestalten krochen auf den Weg, richteten sich auf, gruben die kraftvollen Finger in den Boden und rissen große Stücke heraus.
Bevor Abbé Chardin fliehen konnte oder auf die Knie sinken, um ein letztes Gebet zu sprechen, überkam ihn eine Vision. Zwischen den Gewitterwolken, im Gleißen der Blitze erschien eine Insel. Eine schwebende Insel mit einem Sandstrand und waldbedeckten Bergen. Von dem Sandstrand lösten sich winzige Punkte, stürzten in die Tiefe. Zugleich wurde das Donnergrollen von den dumpfen Schlägen großer Trommeln übertönt.
Als der nächste Blitz die Landschaft beleuchtete, erkannte der Geistliche voller Entsetzen, dass es Menschen waren, die dort stürzten. Wie welke Blätter taumelten sie durch die Luft, wirbelten um die eigene Achse, strampelten mit Armen und Beinen.
Bevor Abbé Chardin ganz begriff, was geschah, landeten sie auf dem Damm. Es waren große, schlanke Männer, die nichts als Lendentücher trugen. Unfassbarerweise brachen sie sich nicht alle
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