0752 - Lauras Leichenhemd
Gefühl ist, das sich einfach nicht unterdrücken lässt. Da sage ich dir nichts Neues.«
»Stimmt.«
»Zudem habe ich noch eine Befürchtung«, flüsterte Bill, wobei er sich über den Tisch beugte. »Ich kann mir vorstellen, dass das Ende der Mordserie noch nicht erreicht ist. Damit kann es noch weitergehen. Die Familie Saracelli ist groß. Laura hat noch mehrere Geschwister, und ihre Eltern sind ebenfalls da.«
»Du rechnest mit einem weiteren Toten?«
»Im schlimmsten Falle schon.«
Ich dachte nach. War alles zu weit hergeholt? Hatte Bill recht? Sollte ich mich darum kümmern?
»Du kannst ja einen Test machen, John. Wenn wir zur Schule fahren, werde ich mit ihr reden. Vielleicht lässt du sie zufällig einen Blick auf das Kreuz werfen. Ich bin mächtig gespannt, wie Laura darauf reagieren wird.«
»Bill«, sagte ich vorwurfsvoll, »und das alles nur, weil Laura nicht so trauert, wie du es gern gehabt hättest.«
»Also weißt du, ich habe ja schon Dinge von vorn nach hinten geholt und mich auch öfter auf mein Gefühl verlassen, aber was du da jetzt sagst, dem kann ich nicht folgen. Das ist mir irgendwie zu hoch.«
»Mag sein, John. Ich fühlte mich ja auch nicht wohl in meiner Haut. Aber ich möchte mir später keine Vorwürfe machen, wenn doch noch etwas eskaliert.«
»Da gebe ich dir recht.«
»Bist du dabei?«
»Aus alter Freundschaft bestimmt.«
Bill lachte und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Dann winkte er dem Kellner, um die Rechnung zu begleichen.
Wir hatten einen guten Parkplatz gefunden, von dem aus wir die Schule beobachten konnten. Auch dieses mächtig wirkende Gebäude lag im Schein der Sonne, deren Licht von dem Blattwerk der Bäume teilweise gefiltert wurde, so dass an diesen Stellen der Untergrund mit einer Unzahl von hellen Flecken übersät war.
Wir waren nicht die einzigen, die auf Schüler warteten. Vor und hinter uns standen ebenfalls Fahrzeuge, die den Müttern gehörten.
Sie waren gekommen, um die Kinder abzuholen. Wegen der Wärme hatte es keine Frau mehr in ihrem Fahrzeug ausgehalten. Jede Fahrerin war ausgestiegen und hielt sich neben dem Auto auf.
Das taten auch Bill und ich. Ich quälte mich ächzend aus dem Porsche, was Bill grinsen ließ. Er, der diesen Wagen gewohnt war, entstieg ihm elegant.
»Du wirst älter, John.«
»Kann sein. Ich bin es eben nicht gewöhnt, in diesen engen Büchsen zu fahren.«
»Ein Ferrari ist noch enger.«
»Den würde ich mir auch nur als Modellauto kaufen, wenn überhaupt«, erwiderte ich, bevor ich mich streckte und dann die Beine leicht ausschüttelte.
Wir lehnten uns seitlich gegen den Wagen, beobachtet von den Müttern, die hier auf ihre Kinder warteten. Manch misstrauischer Blick traf uns. Wahrscheinlich dachten einige der Frauen, dass wir es auf Kinder abgesehen hatten.
Noch herrschte eine relative Ruhe auf dem gegenüberliegenden Schulhof. Nur wenige Schüler standen dort zusammen. Die meisten von ihnen gehörten zu den oberen Klassen und waren schon älter.
»Wie lange noch?«
»Minuten, John.«
Ich setzte die dunkle Brille auf. Unter meinem Jackett war es mir warm geworden. Das Warten hier und das Eingehüllt sein in die stille Umgebung machten mich schläfrig. Beinahe wären mir sogar die Augen zugefallen. Hin und wieder fuhr ein weiteres Fahrzeug an, aus dem eine Mutter stieg, die auf ihr Kind wartete.
Ich hätte den Wein doch nicht trinken sollen. Am liebsten wäre mir gewesen, mich in die Sonne zu legen und den weichen Druck einer Wiese unter meinem Rücken zu genießen, die dann zu einem natürlichen Bett wurde.
Bill räusperte sich. Als ich den Kopf drehte, grinste er. »Du schläfst bald im Stehen.«
»Danach ist mir auch.« Nach dieser Antwort hörte ich das entfernt klingende Schrillen einer altertümlichen Schulglocke. Sie war das Zeichen, um die Gegend zu beleben. Plötzlich war es vorbei mit der Ruhe. Zwar stürmten die Schüler nicht aus dem Gebäude wie zu Ferienbeginn, aber sie alle waren froh, die dumpfen Klassenzimmer endlich verlassen zu können, um hineinzulaufen in den hellen Sonnenschein.
Ich war wieder wach.
Autofahrer wussten Bescheid. Um diese Zeit rollten sie langsamer an der Schule vorbei. Besonders die jüngeren Schüler stürmten oft wild auf die Fahrbahn.
»Willst du Johnny auch gleich mitnehmen?«
»Der ist heute mit seiner Klasse unterwegs. Sie besichtigen irgendein Museum.«
»Auch nicht schlecht.«
Die Mütter waren gekommen, um ihre kleineren Kinder abzuholen. Sie
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