0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
schwenkte nach innen, und das war wohl so etwas wie ein Startzeichen für die anderen gewesen, denn plötzlich lösten auch sie ihre Formation auf.
Bisher hatten sie einen breiten Rahmen gebildet, nun aber verengten sie ihn, so daß er schon die Form eines Halbmondes angenommen hatte, als sie etwa zehn weitere Schritte zurückgelegt hatten.
Der Plan lag sichtbar vor Carmen. Sie würden ihren Wagen als geballte Macht angreifen, und nichts konnte sie mehr davon abhalten. Es gab keine Gegner, die sie gestoppt hätten. Da war keine Wand, da waren keine Hände, die irgendwelche Waffen hielten und mit geweihten Kugeln auf sie feuerten.
Sie drängten sich zusammen. So eng mittlerweile, daß sie sich berührten. Dabei blieb es nicht. Sie stießen und schubsten sich. Jeder schien als erster das Ziel erreichen zu wollen.
Im Schein des Fernlichts waren sie gut zu sehen. Carmen durfte gar nicht daran denken, daß sie es hier mit Geschöpfen zu tun hatte, die schon mehr als dreihundert oder vierhundert Jahre alt waren.
Sie mußte diese maurischen Blutsauger einfach hinnehmen und versuchen, sich auf sie einzustellen.
Ihr Fuß spielte mit dem Gaspedal.
Hin und wieder brummte der Motor auf, wenn sie die Drehzahl beschleunigte, aber sie hütete sich davor, den Wagen in Bewegung zu setzen. Noch waren die Blutsauger nicht nahe genug, und es waren auch leider keine Gestalten aus der Geisterbahn.
Carmen ließ sie kommen.
Ihr Gesicht zeigte keinen Ausdruck. Vielleicht lag auf ihren Lippen ein hartes und gespanntes Lächeln, das war auch alles. Es kam nun einzig und allein auf sie an.
Wenn sie die Nerven behielt und genau im richtigen Augenblick reagierte, konnte sie sogar mit der Brut fertig werden.
Sie kamen näher.
Staub quoll hoch, als sie mit ihren Füßen über den Boden schlurften. Steine wurden nach vorn gekickt, tanzten auf den Wagen zu und knallten gegen das Blech.
Das Licht strahlte sie an. Es verfing sich in den leer wirkenden Augenhöhlen, es machte sie zu kleinen, glänzenden Spiegeln, und dieser Haufen von widerlichen Untoten mit den aufgerissenen Mäulern, die bereit waren, sich in warmes Menschenfleisch zu schlagen, war nur mehr einige Schritte von seinem Ziel entfernt.
Nahe genug!
Carmen schrie, als sie anfuhr.
Sie mußte es einfach tun, sie mußte sich freie Bahn verschaffen, zu stark war die Nervenbelastung.
Noch nie zuvor war sie so heftig gestartet.
Der Geländewagen sprang nach vorn und raste wie ein Rammbock auf die Blutsauger zu…
***
Manuel, der Butler, arbeitete sehr lange schon im Haus der Cavallos. Er gehörte praktisch zu den Vertrauten der Familie, obwohl ihm nie direkt etwas erzählt wurde. Aber er bekam immer viel mit.
Er hatte es sich angewöhnt, seine Augen und Ohren offenzuhalten. Wenn er etwas wußte, hütete er sich davor, sein Wissen weiterzugeben. Er behielt es für sich, machte sich seine eigenen Gedanken und sprach das Thema nur an, wenn er auch gefragt wurde.
So auch an diesem Abend.
Manuel hatte die Besucher sehr wohl registriert, sich aber mit irgendwelchen Fragen oder Bemerkungen vornehm zurückgehalten. Er wollte auf keinen Fall auffallen.
Doch er spürte die andere Atmosphäre. Auch Carmen war nervös, sie war gleichzeitig in Gedanken versunken, sie reagierte mal langsam, dann wieder; hektisch, und es stand für ihn fest, daß sich etwas Gefährliches anbahnte.
Schließlich verschwand Carmen mit den beiden Männern. Sie nahmen ihren Geländewagen, und Manuel dachte über den Grund nach, konnte aber keine Lösung finden.
In den Wirtschaftsräumen traf er mit dem Gärtner zusammen. Er hieß Rojo, war ebenfalls schon älter, und seine Haut wirkte wie dünnes, braunes Leder, weil sie ein ganzes Leben den Sonnenstrahlen ausgesetzt worden war. Rojo saß auf einem Stuhl am Tisch und trank roten Landwein. Er hatte seine Brille aufgesetzt. Die Gläser wirkten so dick wie Flaschenglas, und seine Pupillen sahen aus wie schwarze Monde.
Manuel zog sein schwarzes Jackett aus und nahm ihm gegenüber Platz. Rojo wußte, was ihm jetzt guttat. Er schob dem Butler ein Glas zu und danach die Karaffe.
»Danke.«
»Wie geht es dir?«
»Nicht gut.«
»Warum nicht?«
Der Butler ließ sich Zeit mit der Antwort. Er schenkte das Glas voll, nippte, nickte und war zufrieden. Dann nahm er einen zweiten, größeren Schluck. »Es stimmt hier einiges nicht.«
Rojo nickte, gab keinen Kommentar und wartete darauf, daß der Butler fortfuhr. »Ich habe natürlich keine Beweise dafür, aber ich
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