0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
bin lange genug im Haus, um so etwas zu spüren.«
Rojo nickte wieder. Er gehörte zu den Schweigsamen im Lande. Jetzt allerdings bequemte er sich zu einem Kommentar. »Weißt du, Manuel, wir beide gehören irgendwie zusammen, auch wenn unsere Arbeiten völlig verschieden sind. Ich will ehrlich zugeben, daß auch ich Probleme habe. Ich spüre, daß etwas geschehen ist und auch noch weiter geschieht.«
Manuel beugte sich vor. Sein altes Gesicht zeigte Sorge. Falten tief wie Gräben ›schmückten‹ seine Haut. »Was ist denn geschehen? Kannst du da deutlicher werden?«
»Nein.«
»Du willst es nicht sagen.«
Der Gärtner nahm seine Brille ab und wischte über seine Augen. »Was soll das schon heißen, Manuel? Natürlich will ich es nicht sagen, weil ich mir nicht den Mund verbrennen will.«
»Wir kennen uns schon lange.«
»Trotzdem kannst du mich auslachen.«
»Und wenn ich dir verspreche, es nicht zu tun? Redest du dann? Erzählst du mir etwas?«
Rojo kniff für einen Moment die Augen zusammen, als verspüre er Schmerzen. »Ich kann dir auch nicht mit Tatsachen kommen, mein Lieber. Nur mit Gefühlen.«
»Sag sie doch!«
Er legte die Stirn in Falten. »Es sind schlechte Gefühle, das einmal vorweggenommen, sogar sehr schlechte. Aber was soll ich machen? Sie verstärken sich. Du weißt, daß ich mit der Natur verbunden bin. Ich sage dir, daß auch die Pflanzen leben. Sie haben wie wir eine bestimmte Aura, an der man als sensibler Mensch einfach nicht vorbeigehen kann. Ich habe sie gespürt…«
»Die der Pflanzen?«
»Nein, Manuel, nein.« Rojo schüttelte den Kopf. »Die meine ich nicht. Das hatte ich dir nur zur allgemeinen Erklärung gesagt. Es gibt hier noch eine andere Aura, die nichts mit der meiner Gewächse zu tun hat.«
»Und welche ist das genau?«
Der Gärtner senkte seine Stimme, bevor er sprach. Er schaute sich auch noch einmal in der Küche um, deren Wände verkachelt waren und an denen noch die alten Töpfe und Pfannen hingen. »Es ist ein besonderes Fluidum. Eine Aura des Bösen. Als wäre ein Dämon bereit, zu uns zu kommen. Er… er ist schon auf dem Weg. Ich… ich fürchte mich vor ihm.«
»Wie - Dämon?«
Rojo zuckte zusammen. »Jetzt wirst du auch lachen, nicht?«
»Überhaupt nicht.«
Der Gärtner trank schlürfend einen Schluck Wein und fuhr mit seinen Erklärungen fort. »Ich kann es nicht definieren, Manuel. Es ist vorhanden, es hat seinen schlimmen Weg bereits zurückgelegt, und es hat sich hier manifestiert.«
»Im Haus, meinst du?«
Rojo wiegte den Kopf. »Ich lege mich da nicht fest. Im Haus und auch im Garten, in der Umgebung, wenn du verstehst.«
»Nicht genau, aber das macht nichts.«
»Glaubst du mir denn?«
Der Butler strich mit zwei Fingern seine Gesichtsfalten nach. »Ja, ich glaube dir seltsamerweise. Ich bin sogar davon überzeugt, daß du recht hast. Hier… hier hat sich etwas zusammengebraut, für das mir jegliche Erklärung fehlt. Komisch, ich hätte früher darüber gelacht, jetzt aber nicht mehr. Es kann mit dem Alter zusammenhängen, finde ich.«
Der Gärtner war anderer Meinung. »Nein, mein Freund, es hängt nicht mit dem Alter zusammen.«
»Womit dann?«
»Mit der Weisheit.«
»Das ist mir zu wenig.«
»Du hast eben Lebenserfahrung sammeln können und siehst die Dinge nun anders als früher. Das ist doch ganz normal. Das ist einfach der Lauf der Zeit.«
»Meinst du?«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
Der Butler senkte den Blick. »Gut«, sagte er mit leiser Stimme, »belassen wir es dabei.«
»Eine Bitte noch«, flüsterte Rojo.
»Welche?«
»Sag mir Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast. Wir beide sollten achtgeben.«
Manuel nickte. »Darauf kannst du dich verlassen, Rojo. Das schwöre ich dir sogar.«
Als er sich erhob, zur Tür ging und dem Gärtner den Rücken zudrehte, da überkam diesen ein ungewöhnliches Gefühl. Es war beinahe eine Vision, allerdings düster wie Schatten, die den Tod begleiteten.
»Gott stehe uns bei!« flüsterte der Gärtner nur, so leise, daß Manuel es nicht hörte.
Er schritt durch den Flur und wandte sich nicht dem Haupthaus zu, sondern blieb im Wirtschaftstrakt. Auch von dort aus konnte er das Haus verlassen.
Er öffnete eine schmale Tür und trat hinaus in die Schatten der Dämmerung.
Nach zwei Schritten blieb er stehen.
Etwas hatte sich verändert.
Es lag nicht an dem kühler gewordenen Abendwind, der war völlig normal, und auch nicht an den schattenhaften Umrissen der dunkel
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