0759 - Werwolf-Wahnsinn
Schatten der Häuser am Ufer sah und die wenigen Lichter dazwischen.
Sie wirkten ein wenig verloren und konzentrierten sich zumeist in der Nähe des Bahnhofs. Dort leuchteten einige Laternen, auch wenn um diese nächtliche Zeit kein Zug mehr kam.
Kurz vor Erreichen des Schilfgürtels leuchtete ihn der Mann mit der starken Lampe an, denn er wollte das Boot wieder an den Steg täuen. Er hatte Glück gehabt, weil er nicht zu weit abgetrieben war. Nach einigen Kurskorrekturen ruderte er genau auf das in den See reichende Ende des Stegs zu.
Der Rest war ein Kinderspiel. Er täute das Boot fest und war froh, als er endlich die Bohlen unter seinen Füßen spürte, auch wenn sie weich waren.
Noch etwas wacklig in den Knien schritt er an Land. Vom Werwolf war nichts zu sehen. Kein Schatten huschte durch die Nacht. Er war das einzige zweibeinige Lebewesen in der Nähe.
Über den schmalen Pfad ging er wieder zurück in den Ort. Tief atmete er durch. Allmählich beruhigten sich seine aufgepeitschten Nerven wieder und er dachte schon jetzt darüber nach, was wohl Oleg Blochin zu seinen Entdeckungen sagen würde.
Vielleicht nichts, aber für einen Spinner konnte er ihn einfach nicht halten, denn so etwas saugte sich kein Mensch aus den Fingern. Da entsprach alles haarklein den Tatsachen.
Im Dorf empfand er die Stille als bedrückend. Auf dem See hatte noch ein leichter Wind geweht.
Hier stand die Luft wie eine wattige schwarze Masse zwischen den Häusern.
Am Himmel hatten sich die Wolken wieder mehr verdichtet. Sie verdeckten die meisten freien Stellen, so daß nach den Sternen erst noch gesucht werden mußte.
Blochins Haus lag ebenfalls in völliger Stille. Hinter keinem Fenster brannte Licht. Oleg und seine Frau lagen sicherlich schon im Bett, wobei Oleg wohl kaum würde einschlafen können, nach dem, was er in den letzten Stunden durchgemacht hatte.
Bevor er die Tür des Anbaus aufstoßen konnte, hörte er von gegenüber das Knarren einer Tür.
Wladimir wirbelte herum.
Er sah zuerst keinen Menschen, bis er den Schatten entdeckte, der sich im Türspalt abzeichnete. Es war eine alte Frau, das entnahm er dem Klang der Stimme.
Über die schmale Straße hinweg rief sie ihm eine Warnung zu. »Es ist nicht gut, wenn man sich in diesen Zeiten allein und in der Dunkelheit nach draußen traut. Geh lieber hinein, Söhnchen, geh lieber hinein.«
»Warum?«
»Die Nacht ist böse, sehr böse, sogar. Das kannst du einer alten Frau ruhig glauben.«
Er glaubte ihr und hörte noch, wie sie die Tür von innen wieder zuzog. Das war auch für ihn das Zeichen, den Anbau zu betreten. Es tat ihm gut, wieder hier zu sein. Das gab ihm das Gefühl, die große Gefahr hinter sich gelassen zu haben. Er wollte auch nicht daran glauben, daß ihm der Werwolf gefolgt war und sich ebenfalls im Ort aufhielt. Seiner Meinung war die Bestie einfach zu sehr abgelenkt gewesen.
Da sich Wladimir nicht so gut auskannte, machte er sicherheitshalber Licht, als er den Anbau betreten hatte. Er ging die schmale Treppe hoch und dann in den kurzen Gang hinein, der zu seinen Zimmern führte. Schon nach dem ersten Schritt überkam ihn der Eindruck, nicht mehr allein zu sein. Er wollte bereits seine Waffe ziehen, als er die Stimme hörte. Sie klang im Dunkeln auf und gehörte seinem Freund Oleg Blochin.
»Komm ruhig näher, mein Freund. Ich habe dich erwartet.«
Wladimir betrat das Zimmer. Oleg saß im Dunkeln, deshalb machte der Besucher Licht.
»Willkommen im Leben«, sagte Blochin. »Ich habe schon gedacht, dich nur noch als Leiche zu sehen…«
***
Golenkow lachte nach diesen Worten auf, als er sich auf das Bett setzte und seinen Kopf zwischen die Handflächen preßte. So nickte er seinem Freund zu. »Tut mir leid, daß ich dir nichts gesagt habe, aber es hat mich eben überkommen.«
»Darf ich raten, wo du gewesen bist?«
»Bitte.«
»Du bist zur Insel gefahren.«
Wladimir schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Bis in Sichtweite und dann noch ein Stück näher.« Er lächelte. »Aber es hat sich gelohnt, auch wenn es beinahe ins Auge gegangen wäre.«
»Dann hast du etwas entdeckt?« Blochin beugte sich gespannt vor.
»Und ob.«
Blochin bewegte so stark seine Augen, daß die Pupillen wie rollende Kugeln wirkten. »Verdammt, was denn? Los, red schon. Laß dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.«
»Das tue ich nicht. Aber diesmal brauche ich einen Schluck, wenn es nicht zuviel verlangt ist.«
»Moment.« Blochin stand auf. Er öffnete die Tür
Weitere Kostenlose Bücher