0759 - Werwolf-Wahnsinn
ebenso getötet wie die Amme und die beiden Kinder, aber die Bestie überlebte. Irina nun hat davon erfahren. Schon vor ihrer Heirat mit Blochin wußte sie Bescheid, und sie hat immer das Gefühl gehabt, daß sie es einfach sein mußte, die die Bestie erledigte. Sie wollte etwas gutmachen und hat sich voll und ganz in die Rolle der alten Irina hineinversetzt. Sie nahm es einfach als Schicksal hin, daß sie ausgesucht worden war. Sie lebte voll und ganz dafür, und sie war immer davon überzeugt, daß die Bestie ebenfalls noch am Leben war.«
»Was auch stimmte.«
»Sicher.« Wladimir grinste scharf. »Nur war der Werwolf sehr schlau. Er hielt sich die meiste Zeit über versteckt. Er kannte ja die Angst der Menschen vor der Insel, er wußte um die Legenden. Oft tat er über eine lange Zeit hinweg gar nichts, dann wiederum verließ er sein Versteck und schlug brutal zu.«
»Was auch Irina wußte.«
»Sicher.«
»Was tat sie?«
»Sie wollte alles ändern. Sie zog sich aus ihrem Ort zurück und wurde zu einer Kämpferin. Sie ging auf die Insel, sie wollte die Bestie stellen, und sie wird erst dieses Eiland verlassen, wenn sie es in die Tat umgesetzt hat.«
»Wie reagierte ihr Mann? Welche Rolle hat er überhaupt in diesem Spiel übernommen?«
»Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen, John. Aber keine sehr gute, schätze ich.«
»Dann frage sie.«
Wladimir tat mir den Gefallen, aber Irina schüttelte den Kopf. Sie gab auch noch eine Antwort, die mir Wladimir übersetzte.
»Oleg scheint nichts zu wissen. Jedenfalls nichts Genaues. Er hat sich nur auf die Seite der Bestie geschlagen.«
»Warum?«
»Das weiß Irina auch nicht. Sie hat mit ihm lange nicht mehr gesprochen, obwohl die beiden jetzt auf der Insel sind. Aber sie geht davon aus, daß ihr Mann sie liebt, dadurch blind geworden ist und genau das Falsche getan hat.«
Ich verdrehte die Augen. »Das darf doch nicht wahr sein! Da komme ich nicht mit.«
»Ich auch nicht, aber wir müssen es bis zur endgültigen Klärung akzeptieren.«
Bisher hatte sich die Hauptperson in diesem teuflischen Spiel noch nicht gezeigt. Es war zwar viel von ihr geredet worden, aber sie hielt sich vornehm zurück.
Für mich war es an der Zeit, darauf hinzuweisen, daß wir noch gefesselt waren. Irina konnte uns befreien. Ich wies Wladimir darauf hin, es ihr zu sagen.
»Klar, mache ich. Ich werde ihr auch sagen, daß wir auf ihrer Seite stehen.«
»Hast du eigentlich ihr gegenüber erwähnt, welch miese Rolle ihr toller Gatte spielt?«
»Nicht direkt.«
»Dann mach es.«
Das wollte er auch. Leider aber hatten wir den richtigen Zeitpunkt verpaßt. Wir hörten zwar nichts, aber daß etwas geschah, erkannten wir an Irinas Reaktion.
Noch auf der Stufe stehend, duckte sie sich, und wir sahen, wie sie den Griff des Krummschwerts fester packte. Damit konnte sie einem Werwolf schon den Schädel abschlagen. Dann drehte sich die Frau um und lief einige Stufen nach oben, ohne allerdings aus unserem Blickfeld zu verschwinden.
Sie stoppte, lauschte, drehte sich um und lief zurück. Ihr Gesicht war verzerrt, und sie fragte:
»Was hat sie?«
»Er ist unterwegs.«
»Verdammt, unsere Fesseln.«
Irina war vor uns stehengeblieben. Sie wollte sprechen, aber Wladimirs Stimme war einfach zu laut.
Er kam ihr zuvor. Ich spürte, daß er darauf drängte, die Fesseln endlich loszuwerden.
Irina reagierte falsch, denn sie schaute zurück, aber Wladimir ließ nicht locker. Als er sich umdrehte, um ihr seinen Rücken zu präsentieren, folgte ich seiner Bewegung.
Ob sie schimpfte oder nicht, war mir egal. Ich wollte nur die Stricke loswerden.
»Endlich!« keuchte der Russe.
Im nächsten Augenblick spürte ich den Ruck an meinen Stricken. Ich half noch mit, bewegte die Hände leider zu hektisch, so daß die Klinge mich ritzte.
»Sie sind nur locker!« keuchte Wladimir.
Das waren sie bei mir auch, und Irina kam nicht mehr dazu, ihre Arbeit zu vollenden, denn genau dort, wo die Treppe endete, hörten wir einen dumpfen Krach.
Da war eine Tür aufgeflogen.
Eine Sekunde später durchtoste ein wahnsinniges Brüllen den Keller. Und wiederum eine Sekunde danach sahen wir die Bestie, deren Anblick uns einen wahnsinnigen Schreck einjagte.
Es war ein urwelthaftes riesiges Monster!
***
In der folgenden Zeit würde es um Leben und Tod gehen, das war uns klar. Es gab einfach keine Alternative. Wir hätten Irina gern unterstützt, das schafften wir nicht, denn noch hielten die Fesseln, und da
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