076 - Der magische Schrumpfkopf
auszuführen pflegte, was er sich vorgenommen hatte.
Trotz aller unheimlichen Geschehnisse wollte er den Schrumpfkopf in hohem Bogen ins Kaminfeuer werfen. Doch plötzlich, von einem Augenblick zum anderen, zogen schreckliche Schmerzen durch seinen Körper. Sein Herz hämmerte wie wild. Dann wieder glaubte er, eine Riesenfaust presse es zusammen. Ein stechender Schmerz strahlte bis in die Fingerspitzen seines linken Arms aus.
Der Schrumpfkopf entfiel seiner zitternden Hand und rollte über den Teppich, wobei er ständig weiter höhnte, fluchte, geiferte und schrie.
Lord ließ sich in einen Sessel fallen. Die Schmerzen vergingen so schnell, wie sie gekommen waren.
„Bezahle Cazador“, forderte die Stimme, die nun so hohl und geisterhaft klang, als käme sie aus einem tiefen Brunnenschacht. „Du schuldest ihm Geld. Wenn du ihn nicht bezahlst, werden die Schmerzen wiederkommen. Immer schlimmer werden sie wiederkommen, jeden Tag, den du noch länger säumst.“
Lord starrte den Schrumpfkopf an wie eine giftige Schlange.
„Wer bist du?“ fragte er heiser. „Was bist du?“
„Ich bin Araquui, der Böse Zauberer, der Schwarze Medizinmann und Dämon der Nacht, der Jaguarmensch. Ich bin Araquui, und ich bin der verkörperte Fluch des Araquui. Du hast den Pakt mit mir geschlossen und bist meinen Gesetzen unterworfen, du Wurm.“
Wieder folgte das gellende, höhnische Gelächter. Müde wie ein alter Mann stand Lord auf. Er nahm den Schrumpfkopf, und es kostete ihn Überwindung, ihn anzufassen. Diesmal spürte er keinen Schmerz, denn er hatte nicht die Absicht, ihn zu vernichten.
Frederik Lord wußte, wann er verloren hatte. Er trug den Schrumpfkopf in sein Arbeitszimmer, öffnete den Wandsafe, der außer seinem Testament noch einige wichtige Papiere enthielt, und legte ihn hinein. Er hatte nicht vor, das Teufelsding in der nächsten Zeit hervorzuholen oder gar einen weiteren Wunsch an Araquui zu äußern.
Zu allererst wollte Lord Zeit gewinnen. Es mußte einen Weg geben, den Schrumpfkopf zu vernichten, und er würde ihn finden.
In dieser Nacht hatte Frederik Lord keine schrecklichen Träume. Er schlief tief und fest, bis ihn um fünf Uhr morgens das Telefon unsanft weckte. Lord, noch völlig verschlafen, nahm den Hörer ab.
„Was gibt es denn, verflixt noch mal?“ sagte er ungehalten.
Der Nachtpförtner, der in der Nacht auch die Gespräche vermitteln mußte, hatte strikte Anweisung, nur in ganz dringenden Fällen in Lords Schlafzimmer durchzustellen.
„Die Bundesbahn ist am Apparat“, sagte er.
„Wer?“
„Die Bundesbahn.“
Das Gespräch wurde durchgestellt. Lord erfuhr, daß sich ein Zugunglück ereignet hatte. Der Alpen-Expreß war entgleist. Es hatte bisher vier Tote gegeben, und mehr als zwanzig Menschen waren verletzt, einige davon schwer. Einer der Schwerverletzten war der siebzehnjährige Dieter Lord, der von seinem Internat in der Schweiz auf dem Weg nach Hause war, um an der Beerdigung seiner Mutter teilzunehmen.
Dieter Lord war in die nächste Universitätsklinik abtransportiert worden. Die Ursache des Unglücks war eine fehlgestellte Weiche gewesen.
Lord rief sofort Bernhard Zischka, einen der Fahrer seiner Firma, an und bat ihn, sich sofort fertigzumachen. Lord war sich nicht sicher, ob es ihm in seiner gegenwärtigen Verfassung möglich war, einen Wagen zu lenken.
Zweieinhalb Stunden später langten sie bei der Universitätsklinik an. Der Pförtner konnte Lord gleich weiterhelfen, als der ihm sagte, er sei der Angehörige eines der Opfer des Eisenbahnunglücks.
Zischka begleitete seinen Chef. Sie gingen zur Chirurgie und erfuhren dort von einer Krankenschwester, daß Dieter Lord sich gerade im Operationssaal befand. Er hatte eine Schädelverletzung. Der Professor selbst nahm die äußerst schwierige Operation vor, um Blutgerinnsel aus seinem Gehirn zu entfernen.
Sie warteten auf dem Klinikflur. Die Zeit verstrich langsam. Dem Fabrikanten schien es, als würden die Zeiger der elektrischen Uhr am Ende des Flurs auf der Stelle kleben.
Zwei Stunden vergingen. Jedesmal, wenn jemand aus dem OP-Raum kam, hielt Lord ihn an und fragte, erhielt aber nur vage Auskünfte wie: „Die Operation dauert noch, es läßt sich noch nichts sagen.“ Oder: „Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Der Professor ist zuversichtlich.“
Endlich, nach zweieinhalb Stunden, öffnete sich die Tür. Mit einem Schwarm von Ärzten und zwei OP-Schwestern kam der Professor, ein silberhaariger Mann um die
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