0760 - Die Geisterfee
eiskalt in die Stirn und tötete ihn. Das ist so grausam, so unfaßbar und für mich auch nicht logisch.«
»Gibt es überhaupt eine Logik für einen Mord?«
»Hör auf, John, keine Philosophie. Du weißt schon, wie ich das gemeint habe.«
»Ja, es geht um das Motiv.«
»Ausgezeichnet, aber auch damit komme ich nicht zurecht. Ich packe es einfach nicht. Es will mir nicht in den Kopf, aber trotzdem muß es einen Grund geben.«
»Das meine ich auch.«
Bill Conolly breitete die Arme aus. »Hast du dir denn schon Gedanken darüber gemacht? Bist du informiert worden? Haben Tanner und seine Mannschaft etwas herausgefunden? Gab es Zeugen, auf deren Aussagen man sich verlassen konnte?«
»Bisher noch nicht. Ich habe auch nicht viel Hoffnung, Bill. Dieses Haus hier ist groß. Es ist ein kantiger Block, wenn auch nur sechs Etagen hoch. Ich glaube nicht, daß hier jeder jeden kennt. Hier kannst du hineingehen, ohne daß es auffällt. Und das wird sich der Killer auch gedacht haben.«
»Der bestimmt nicht den Jungen umbringen wollte.«
»Ganz recht. Sven Abels muß ihm zufällig über den Weg gelaufen sein.« In mir hatte sich allmählich ein Bild geformt, über das ich mit dem Reporter sprach. »Wahrscheinlich müssen wir davon ausgehen, daß der Junge etwas beobachtet hat, das für den Killer hätte gefährlich werden können.«
»Du stufst ihn als Zeugen ein?«
»Bisher schon. Es ist für mich die einzige Erklärung für diese kalte Tat.«
Bill überlegte und nickte gedankenverloren. »Ja, das kann gut sein. Da stimme ich dir zu. Wenn es allerdings einen Zeugen gibt, dann muß es auch eine Tat geben oder zumindest den Versuch einer Tat. Wen wollte der Mörder in diesem Haus hier umbringen? Wer von den Menschen stand auf seiner Liste?«
»Keine Ahnung, ich weiß es nicht.«
»Tanner wird ähnlich denken«, sagte Bill, »davon bin ich fest überzeugt. Er wird sich dann mit den Hausbewohnern beschäftigen und nach Hintergründen fragen.«
»Dann gehst du davon aus, Bill, daß man einem der Hausbewohner hier den Killer auf den Hals gehetzt hat.«
»Du nicht?«
»Bis jetzt schon.«
»Das wird eine Heidenarbeit werden.«
Ich stimmte meinem Freund zwar zu, schüttelte trotzdem den Kopf, weil sich meine Gedanken in eine andere Richtung bewegten. »Weshalb hast du mich eigentlich angerufen, alter Junge?«
Er lächelte schief, auch etwas verlegen, so daß ich ihm die nachfolgende Antwort nicht abnahm.
»Ich hatte einfach das Gefühl, es tun zu müssen, John.«
»Tatsächlich?«
»Ja, ich mußte es machen. Das war wie ein innerer Zwang. Ich… ich konnte nicht anders.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Warum nicht?«
»Nicht nur vom Gefühl her. Hast du dir nicht auch deine Gedanken gemacht und versucht, zu einem Ergebnis zu kommen? Könnte es nicht sein, daß du dann davon ausgegangen bist, daß der tote Junge und dein Besuch bei der Hexe in einem Zusammenhang zu sehen sind, wobei du dir die Verbindungslinie noch nicht vorstellen kannst?«
Bill bekam einen anderen Blick. Er verengte dabei die Augen, so daß er mir schon fremd vorkam.
»Das hast du aber weit, sehr weit hergeholt, Alter.«
»Tatsächlich?«
»Ja, das glaube ich.«
»Ich aber nicht.«
Bill senkte den Kopf. Für mich ein Zeichen, daß ich mit meiner Vermutung so falsch nicht lag. »Ja, John, es kann schon sein, daß mir diese Möglichkeit durch den Kopf gegangen ist. Da will ich ehrlich sein, aber ich habe keinen Sinn darin gesehen. Ich habe das Gefühl, mich auf dem falschen Weg zu befinden. Ich kann die beiden Dinge nicht zusammenbringen. Sie kommen mir vor wie gleiche Pole, die sich gegenseitig abstoßen. Und trotzdem bohrt es in mir weiter.«
»In mir mittlerweile auch.«
Bill lächelte. »Weißt du, daß mich das freut. So traurig der Anlaß auch ist, aber es freut mich. Wir sitzen auf demselben Dampfer, und es muß uns doch gelingen, ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken, verdammt noch mal!«
»Das hoffe ich natürlich auch.«
»Was bleibt?«
Er wußte die Antwort genau, aber er wollte sie von mir hören, und ich enttäuschte ihn nicht. »Wir werden deiner Hexe zu zweit einen Besuch abstatten.«
»Wunderbar.«
»Wie willst du vorgehen? Wird Sie sich nicht wundern, wenn plötzlich zwei Reporter dort auftauchen?«
»Du hast es bereits erwähnt, ich gebe dich als einen Kollegen aus. Das war zwar nicht abgesprochen, aber wenn wir erst vor der Tür stehen, wird sie uns wohl kaum abweisen können.«
»So sicher bin ich mir da zwar
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