0764 - Zeit der Grausamen
Tiere, die unter dem feuchten Laub hinweghuschten und nach Verstecken suchten.
Mäuse, auch Eichhörnchen, sogar einen Fuchs nahm sie wahr. Zum Teil waren ihre Sinne geschärft.
Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie genau sagen, wer oder was da in ihrer Nähe vorbeihuschte und dann verschwand.
Sie bewegte ihren Mund.
Hunger…
Ein Gedanke nur, aber einer, der wichtig war, denn zum Überleben brauchte sie Nahrung.
Lebendige…
Der Verstand sagte ihr nein, aber der Instinkt der Eule sprach dafür. Sie wußte, daß nur ihr linker Arm normal war. Auf dem rechten wuchs das Gefieder, und die Hand hatte sich zu einer Kralle verformt.
Damit konnte sie zuschlagen. Sie würde schnell wie die Katze mit ihrer Pfote sein.
Hunger…
Sie blieb nicht mehr länger stehen, sondern drückte sich dem Erdboden entgegen. Der Regen hatte ihn feucht gemacht. Er kam ihr vor wie eine dicke, weiche Schicht aus Watte.
Auf allen vieren ließ sich Helen nieder. Sie roch das alte Laub. Sie hörte sehr genau, daß sich darunter etwas bewegte, aber auch sie blieb nicht auf der Stelle hocken.
Auf Händen und Füßen glitt sie weiter. Die menschliche Seite in ihr wurde weit zurückgedrückt, die tierische verstärkte sich.
Der Instinkt wuchs…
Er überlagerte ihren Verstand, deshalb machte es Helen auch nichts aus, sich auf die Suche nach noch lebendiger Nahrung zu begeben. Sie dachte schon daran, wie das warme Blut in ihren Mund sprudeln würde.
Herrlich…
Noch war es nicht soweit. Sie wußte auch, daß sie über keinerlei Erfahrungen verfügte, was die Jagd anging. Sie mußte erst lernen, aber sie brachte den entsprechenden Willen mit, und das allein zählte.
Mit dem Willen würde sie viele Hindernisse übersteigen können.
Etwas raschelte in ihrer Nähe. Eine Maus, die möglicherweise vor ihr fliehen wollte und sich deshalb unter der Laubschicht verborgen hielt. Blitzartig schlug sie mit ihrer Klaue zu, deren Nägel lang, spitz und leicht gekrümmt waren. Sie hackte in das Laub hinein, durchdrang mühelos die Schicht - und hatte ins Leere gegriffen. Die Maus war schneller gewesen.
Es fiel eben kein Meister vom Himmel, und sie lauerte auf den nächsten Versuch.
Helen verließ den Ort. Sie bewegte sich auf die Bäume mit den dicken Stämmen zu.
Die Tiere des Waldes merkten, daß sich jemand in ihrer Mitte befand, der nicht zu ihnen gehörte.
Deshalb wollten sie fliehen. Sie waren aufgeschreckt, kopflos und taten genau das Falsche.
Wie das Eichhörnchen, das auf einen Baum flüchten wollte, aber nicht schnell genug war.
Diesmal packte Helen zu.
Einen beinahe menschlichen Schrei hörte sie, als die Klaue den kleinen Körper ergriff. Sie riß das Tier zu sich heran und schlug es dann mit dem Kopf gegen den Stamm.
Das Eichhörnchen starb.
Helen nickte zufrieden. Die Gier in ihr war stärker geworden. Der Hunger ließ sich nicht mehr unterdrücken.
Sie stillte ihn, und sie benahm sich dabei wie ein Tier. Nichts unterschied sie mehr davon. Was einem Menschen grausam vorkommen mußte, war für sie normal geworden.
Sie aß das Fleisch, sie schluckte das Blut, das warm und dampfend durch ihre Kehle in den Magen hineinrann, und sie labte sich an beiden Dingen. Es war für sie wunderbar, ein Erlebnis, und sie merkte sehr bald, daß diese Beute ihren Hunger nicht stillte.
Helen wollte mehr…
Wieder ging sie auf Jagd. Sie irrte durch das Waldstück, sie lauschte, und sie bekam einige Mäuse zu packen, die sie ebenfalls verschlang.
Dann war der Hunger gestillt.
Mit schwerfälligen Bewegungen ging sie einen Hang hoch, weil sie eine Stelle suchte, wo sie sich ausruhen konnte. Sie fand diesen Ort zwischen dichtbelaubtem Strauchwerk.
Helen war satt. Sie fühlte sich gut, auch wenn der Blutgeschmack noch immer auf ihrer Zunge lag, und sie würde ihn auch weiterhin noch schmecken.
Die Dunkelheit tat ihr gut, denn für sie war sie kaum vorhanden. Sie sah mit dem rechten Auge am Tage, aber das alles würde vergehen, sogar in wenigen Stunden schon. Dann brach der Tag an, und Helen glaubte fest daran, daß er ihr hier in diesem Waldstück keine Sicherheit bieten würde. Menschen wohnten zu nahe. Gerade an warmen Sommertagen suchten die Menschen Ruhe und Kühle in den nahen Wäldern. Da mußte sie eine Entdeckung befürchten.
Wo aber hin?
Ihre Welt war für sie verschlossen. Es gab keine Agentur mehr, keine Wohnung, keine Freunde, kein gar nichts, was sie noch daran erinnert hätte.
Sie mußte den Blick nach vorn richten, aber in
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