0764 - Zeit der Grausamen
Asche…«
Das letzte Wort wurde ihm von einem gewaltigen Knall von den Lippen gerissen. Es war unser Glück, daß wir in einer guten Deckung hockten, denn die Tür war mit vehementer Wucht aus der Verankerung gerissen worden. Sie kippte während ihres Flugs und wuchtete mit der Schmalseite in den weichen Untergrund, wo sie auch steckenblieb.
Dann kam das Feuer!
Es war gewaltig, ein heißes Chaos, das auch uns trotz der Deckung entgegenbrandete. Ich dachte daran, daß es zwar in der letzten Nacht geregnet haben mußte, doch der Boden war wieder trocken geworden, und natürlich auch die Gewächse. So konnte es leicht sein, daß hier alles in Brand geriet.
Wir mußten weg, denn eine breite Flammenbahn hatte das Gras erfaßt und bewegte sich auf uns zu.
Ich hörte Suko fluchen, weil wir bisher nichts von Helen gesehen hatten, aber die war zweitrangig geworden.
Nein, war sie nicht!
Plötzlich sahen wir sie. Auch sie hatte das Feuer überstanden, aber in der irrsinnigen Hitze gelitten, denn die Flammen hatten ihren Körper erfaßt und beide Hälften zu einem abstrakt wirkenden Klumpen auf zwei Beinen zusammengeschmolzen.
Wir vergaßen die Flammen und schauten nur zu, wie sie zu entkommen versuchte.
Sie schaffte es nicht mehr. Nur einige torkelnde Schritte weit war sie gekommen, als auch diese blauschwarze Masse nicht mehr mitspielte und zerlief.
Sie kam nicht mehr weg. Helen - oder was einmal Helen Kern gewesen war - klebte am Boden.
Das Feuer huschte auf sie zu und glitt an ihr hoch…
Kurz bevor sie zusammenbrach, schaute sie noch in unsere Richtung.
Wir sahen ihr Gesicht und stellten fest, daß es nichts mehr mit dem menschlichen und auch nichts mit dem der Strige gemein hatte. Es war nur mehr eine zerfließende, stinkende, harzartige Masse.
Einen derartigen Mitstreiter würde Strigus, der Herr der Bluteulen nicht akzeptieren. Diesmal hatten wir nicht einzugreifen brauchen, das kam auch mehr als selten genug vor.
Wind wurde durch das Feuer erzeugt, fauchte auch wieder hinein und trieb die Flammen an. Als wir beide das Gefühl hatten, unsere Haut würde verbrennen, da wurde es auch für uns Zeit, die Flucht zu ergreifen. Suko lief neben mir her. Beide dachten wir an Wladimir Golenkow und fragten uns, wie es ihm ergangen sein mochte…
***
Vor dem Haus empfing er uns mit einem zähen Grinsen auf dem rußgeschwärzten Gesicht. Die Klinik brannte lichterloh. Aus dem Haus war eine einzige Fackel geworden. Ein rotglühendes Monstrum, von schwarzen Rauchwolken überdeckt.
In der Ferne hörten wir das Heulen der ersten Sirenen, und Suko war plötzlich verschwunden, weil er seinen Wagen aus der Gefahrenzone schaffen wollte.
Wladimir und ich blieben zurück. »Gregorin lebt, John!«
»Helen aber nicht mehr.« Während wir immer weiter zurückwichen, berichtete ich ihm, was hinter uns lag.
»Das hört sich gut an!«
Ich schwieg.
Neben Gregorin blieben wir stehen. Er war noch bewußtlos. Von mir bekam er Handschellen. Dann mußten wir den schmalen Weg räumen, denn die ersten Löschwagen rollten heran.
Damit war auch für uns der Fall Helen Kern abgeschlossen…
ENDE des Zweiteilers
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