0771 - Rückkehr der SOL
Ganz ehrlich und nüchtern, wenn Sie das können. Dann werden Sie Ihre Schuld erkennen."
Aus dem Gleiter ertönte ein Glockenzeichen.
Verris Kishtan sank in sich zusammen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Worte, die aus dem Lautsprecher kamen und von der zentralen Positronik in der Hauptstadt Hildenbrandt formuliert wurden: „Verris Kishtan ist für schuldig befunden worden. Sie ist für den Tod eines Mannes verantwortlich. Dieser Mann ist inzwischen als Neutrino-Ingenieur Welker Kora von der PHARAO identifiziert worden. Anhand des Filmmaterials konnte festgestellt werden, daß die Angeklagte das Opfer in den Abgrund getrieben hat. Dabei ist unwesentlich, ob die Tat absichtlich oder unabsichtlich geschah. Entscheidend ist allein, daß der Mann Welker Kora tot ist. Das Urteil nach Paragraph 1075 Ovaron-Ordnung: Verris Kishtan soll den gleichen Tod sterben wie Welker Kora. Leben um Leben. So wie es in der Volksabstimmung vom 10. 10. 3560 verlangt wurde.
Eine Gerichtsverhandlung findet nicht mehr statt, da die vorhandenen Fakten eine klare Verurteilung durch die Zentralpositronik erlauben. Ovarons Planet, Hildenbrandt am 14.4.3582."
„Nein", sagte Verris Kishtan ächzend. „Ich will nicht. Ich will nicht. Bitte, lassen Sie mich laufen, Commander."
10 Die Polizistin war ebenfalls blaß geworden, obwohl sie mit einem solchen Urteil gerechnet hatte.
„Ich muß es tun, Verris Kishtan. Das wissen Sie genau. Ich bin dem Gesetz verpflichtet."
„Wird dadurch der Mann wieder lebendig?" fragte die Verurteilte schrill.
„Nein, aber das ändert überhaupt nichts an meinen Pflichten.
Ich hasse mich selbst für das, was ich tun muß, aber ich kann nicht anders. Verzeihen Sie mir, Verris."
„Wie heißen Sie?"
„Kayla Hildenbrandt."
„Hildenbrandt? Nun, Sie sollen wissen, daß ich Ihnen nicht verzeihe. Ich verfluche Sie in die tiefste Hölle des Universums."
Der Commander zog den Paralysator aus dem Gürtel.
„Schließen Sie die Augen", befahl sie.
Verris Kishtan gehorchte. Ihre Lippen zuckten.
„Bitte, tun Sie es nicht", flehte sie.
Kayla Hildenbrandt löste den Paralysator aus. Kishtan stürzte zu Boden. Der Commander stieg in den Gleiter und zog die Verurteilte mit Hilfe eines Antigravstrahlers über die Kante des Abhangs hinaus. Sie schaltete die Kamera ein, und dann hob sie das Antigravfeld auf, das Verris Kishtan hielt. Die Verurteilte stürzte in die Tiefe.
Kayla Hildenbrandt senkte den Kopf. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie blickte nicht auf den Videoschirm, auf dem der fallende Körper zu sehen war. Sie wartete einfach, bis sie ganz sicher war, daß alles vorbei war. Dann richtete sie sich auf. Ihre Hände zitterten.
„Hätte ich dich doch niemals entdeckt, Verris", flüsterte sie.
„Warum mußte ich mich gerade in dieser Gegend herumtreiben?"
Sie zog den Gleiter herum und ließ ihn langsam absinken. Als sie sah, was aus Verris Kishtan geworden war, erschauerte sie.
Mit unmenschlicher Kraft zwang sie sich, die Körper des Mannes und der Frau mit Hilfe eines Desintegratorstrahlers aufzulösen. Dabei richtete sie die Kameras vorschriftsmäßig auf die Toten, um später einen einwandfreien Bericht abgeben zu können.
„Ich möchte Mayk Terna sprechen", sagte Kayla Hildenbrandt.
Die Sekretärin schüttelte den Kopf.
„Die Administratorin hat zu tun. Es geht nicht."
„Ich bestehe darauf", erwiderte Kayla.
„Warum?"
Kayla Hildenbrandt sagte es ihr. Die Sekretärin blickte sie überrascht an.
„Das ist nicht Ihr Ernst?"
„Und ob. Lassen Sie mich jetzt vor."
„Wie Sie wollen. Gehen Sie durch die Tür. Ich melde Sie per Video an."
Die Polizistin öffnete die Tür und geriet auf einen schmalen Gang. Er führte direkt zum Arbeitszimmer der Administratorin.
„Kommen Sie herein", rief Mayk Terna, noch bevor der Commander die Tür zu ihrem Zimmer erreicht hatte.
Kayla Hildenbrandt trat ein. Sie nahm ihren Hut ab.
Die Administratorin saß groß und massig hinter ihrem ausladenden Arbeitstisch. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der hingerichteten Verris Kishtan. Die Konturen ihres Gesichts wirkten jedoch schärfer und härter.
„Was führt dich zu mir, Kayla?" fragte sie.
„Ich will den Dienst quittieren", erklärte der Commander. „Ich habe es satt. Heute mußte ich eine Frau töten, weil sie am Tod eines Mannes schuld war."
„Ja und?" forschte die Administratorin barsch. „Das ist doch kein Grund."
„Für mich ist es
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