0774 - Baphomets böse Brut
sich nichts veränderte. Die Starre blieb in ihnen, sie war wie Eis, das sich einmal festgefressen hatte.
Kalte Haut - kaltes Fleisch. Ein Wesen wie aus dem Grab. Widerlich und grauenhaft. Totes Fleisch, möglicherweise von Maden zerfressen und von Würmern durchdrungen.
Daran dachte Levi mehr als einmal, und mußte seltsamerweise zugeben, daß es ihm nicht viel ausmachte. Nicht, daß er sich daran gewöhnt hätte, aber die Angst war weg.
Er wollte wieder zurücktreten, als sich die düstere Gestalt mit dem bleichen Totengesicht bewegte.
Sie hob den linken Arm und brachte ihn zwischen sich und den Trödler.
Er sah die Hand.
Und er sah, daß dort der Zeigefinger fehlte. Er war mit einem glatten Schnitt von der Hand getrennt worden, doch kein Blut sickerte aus der Wunde. Auf und um den Stumpf hatte sich eine krustige Schicht gebildet. Levi konnte nichts sagen, doch die Erinnerungen erwischten ihn wie ein gewaltiger Sturmwind. Jetzt war ihm klargeworden, woher der Finger stammte, nur wußte er noch immer nicht, wie er in seinen Eintopf gelangt war. Hatte ihn diese Gestalt besucht?
Wenn ja, dann hätte sie jemand auffallen müssen. Den Gästen, den beiden Obern oder auch dem Besitzer. Die hatten angeblich nichts gesehen. Levi wußte nicht, was er machen sollte. Für ihn war es am besten, wenn er sich setzte. Er ging zwei, drei Schritte zurück, bis er seinen Stuhl erreichte.
Vorsichtig ließ er sich darauf nieder.
Dann wartete er.
In den folgenden Sekunden geschah nichts, bis die nackte Frau durch ihre hochstehenden Haare strich und dabei ein Knistern produzierte, als würden Funken durch die Glut wischen. Es war so etwas wie ein Zeichen oder Startschuß, allerdings nicht für sie, sondern für den männlichen Begleiter.
Er kam auf Levi zu.
Der Händler bewegte sich nicht. Die Angst kehrte zurück. Bei jedem Schritt kratzte das Ende des Lanzenschafts über den Boden. Wahrscheinlich hatte er genau das Geräusch gehört.
Die Gestalt blieb stehen.
Das bleiche Gesicht senkte sich dem Antiquitätenhändler entgegen. Der Mund zuckte. Lippen verzogen sich, und eine faulige Atemwolke wehte ihm entgegen.
Levi hielt den Atem an.
Er rechnete mit seinem Tod, denn der andere hielt seine Waffe nach vorn gekantet, damit die Schneide der Klinge über dem Kopf des Mannes schwebte.
Er brauchte den Arm nur einmal zu bewegen, dann war sein Schädel in zwei Hälften gespalten.
Und er bewegte ihn. Die Klinge senkte sich. Sie erreichte den Kopf, lastete darauf, ohne jedoch den Kopf zu spalten.
Ein nie gekanntes Gefühl durchrieselte den Mann. Das hatte er noch nicht erlebt, das war einfach unwahrscheinlich. Er glaubte sogar, das Knirschen seiner Haare zu spüren, als diese von der Schneide durchtrennt wurden. Mehr geschah nicht.
Als schweres Gewicht blieb die Axt auf seinem Kopf liegen, gleichzeitig auch als Drohung, damit er sich nichts anderes mehr einfallen lassen konnte.
Die Gestalt beugte ihren Kopf noch weiter vor. Sie bewegte die Lippen, und das Unwahrscheinliche trat ein.
Sie konnte reden.
Stockend und rauh drangen die Worte aus dem Mund. Sie waren nur für Amos Levi bestimmt, und der hörte sehr genau zu, was dieser andere von ihm verlangte…
***
Wieder in London!
Frankreich, die Templer, Abbé Bloch und auch der Knochen-Sessel lagen hinter mir. Ich hätte eigentlich aufatmen können und auch müssen, ich tat es nicht, denn es waren einfach zu viele Fragen offen geblieben. Noch immer konnte ich meine Gedanken nicht von dem letzten Fall lösen, hockte im Büro und kam mir so vor, als würde ich neben mir selbst sitzen und nur mehr mein eigener Schatten sein.
Suko war da, Glenda ebenfalls, die uns mit Kaffee versorgte und hin und wieder einen Blick auf den verpflasterten Hals meines Freundes warf. Er hatte den Knochen-Sessel als Tötungsinstrument erleben müssen. Beinahe wäre es diesem Möbel, dessen Besitzer ich dank Bills Hilfe war, gelungen, Suko zu töten. Er gehörte mir. Ich hatte ihn nicht mitgenommen, denn bei den Templern wußte ich ihn gut aufgehoben. Er war kein normales Sitzmöbel, denn er schaffte in der heutigen Zeit noch das, was ihn auch früher ausgezeichnet hatte, als er sich im Besitz meines ›Ahnherrn‹ Hector de Valois befunden hatte.
Dem war es gelungen, durch die Kraft und die Magie des Sessels in das geheimnisvolle Land Avalon zu reisen, und dies konnte auch mir möglicherweise gelingen, denn einen ersten Kontakt hatte ich bereits mit dieser Zwischendimension gehabt. Da hatte sich
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