0774 - Vampirblut
hinaus. Es war dunkel. Die Tage waren kurz. Es hatte leicht zu schneien begonnen. Unten floss der Verkehr vorbei. Die Lichtfinger der Autoscheinwerfer bohrten sich in die Dunkelheit und warfen Lichtkegel auf den glänzenden Asphalt.
Wer war die junge Frau, die sie in ihrem Traum gesehen hatte?
Diese Frage beschäftigte Nicole. In welcher Beziehung stand McGrady zu ihr? Nicole glaubte nicht daran, dass es einfach nur ein Traum gewesen war. Sie war davon überzeugt, dass er einen realen Hintergrund hatte. Einen Augenblick dachte sie an das Telefongespräch, das McGrady geführt hatte. Verona Mills war der Name seiner Gesprächspartnerin gewesen.
Bestand zwischen dem Gespräch und ihrem Traum ein Zusammenhang?
Nicole wandte sich vom Fenster ab.
Zamorra kam aus der Dusche. Er hatte sich das Badetuch um die Hüften geschlungen. »Beeil dich etwas«, sagte er. »In einer Stunde treffen wir uns schon wieder mit McGrady.«
Nicole ging ins Badezimmer. Sie begann, ihre Haare zu föhnen. Um mit Zamorra über ihren Traum zu sprechen, sah sie noch keine Notwendigkeit. Ihre Haare flogen…
***
Verona Mills telefonierte mit McGrady. »Warum wollen Sie mir nicht sagen, was sich tatsächlich zugetragen hat, Warren?«
»Es gibt nichts zu sagen, Verona«, beteuerte der junge Polizist. »Wir wissen nicht, was Spacey getötet hat. Wahrscheinlich war es ein Tier. Nur eines ist sicher: Ihr Kollege ist unter ausgesprochen rätselhaften Umständen gestorben.«
Verona wollte sich damit nicht zufriedengeben. Aber so sehr sie auch in McGrady drang, er gab ihr keine Auskunft. Konnte er nicht, oder wollte er nicht? Verona unterstellte zweites und war damit gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Wütend unterbrach sie die Verbindung. Sie schaltete den Fernseher ein. Dann ging sie ins Bad und ließ Wasser in die Wanne.
Etwas stimmte nicht. Etwas prallte gegen ihr Bewusstsein und versuchte in sie einzudringen. Sie fühlte sich unbehaglich. Verona zog sich aus. Sie war nackt. Vorsichtig stieg sie in die Badewanne. Das Wasser war heiß. Sie staute den Atem. Dann gewöhnte sich die Haut an das heiße Wasser. Die Frau setzte sich. Bald empfand sie die Wärme als wohltuend. Sie legte sich zurück.
Plötzlich aber saß sie wieder kerzengerade. Eine dunkle Stimme ertönte.
Es ist soiveit. Der Fluch jährt sich zum fünfhundertsten Mal. Du wirst jetzt die Bluttaufe empfangen und Amanda sein. Mach dich bereit, Verona Mills!
Das blanke Grauen ergriff von Verona Mills Besitz. Die Stimme schien aus einer anderen Welt gekommen zu sein. Niemand war zu sehen. Verona wollte sich erheben. Aber sie war wie gelähmt.
Die Stimme erklang aufs Neue. Ich habe bereits deinen Diener erschaffen. Er wird mit dir Verbindung aufnehmen. Mache dich bereit. Die Zeremonie beginnt!
Verona traute ihren Augen nicht.
Das Wasser, das ihren nackten Körper bedeckte, färbte sich rot. Erst war es nur schwacher, rötlicher Schein, der schnell an Intensität gewann. Schließlich war es dunkel und dickflüssig wie Blut.
Vampirblut, erklang wieder das grollende Organ. Mein Blut. Du wirst dadurch reinblütig sein. Du bist Amanda O’Nelly. In-Verona Mills bist du wiedergeboren. Erfülle deinen Auftrag. Töte Lucas Jefferson und alle, die ihm nahe stehen. Bringe Angst und Schrecken über sie. So wie du es vor fünfhundert Jahren geschworen hast.
Die Bilder vor Verona Mills Augen verschwammen. Sie spürte die Macht, die sie plötzlich erfüllte. Ein Fauchen entrang sich ihr. Sie hob die Hand. Blut, dickflüssig und dunkel, tropfte von ihren Fingern.
Ihre Oberlippe schob sich zurück. Ein starkes Gebiss mit langen, spitzen Eckähnen wurde sichtbar. Sie schöpfte mit der hohlen Hand Blut, trank es gierig und ließ sich zurückfallen. Das Blut schlug über ihr zusammen.
Ihr Geist wanderte in der Zeit zurück.
Fünfhundert Jahre waren vergangen. Sie sah Lucas Jefferson beim Tisch der Dominikaner stehen. Er grinste höhnisch. Ein Grinsen, das sie bis in den Kern traf. Die Henkersknechte packten sie und zerrten sie zu dem Käfig. Sie stießen sie hinein und schlossen ihn ab. Bald darauf versank sie in den Fluten.
Die Luft wurde ihr knapp. Ihre Lungen begannen zu stechen, der Kopf drohte ihr zu zerplatzen. Verbrauchte Luft drang über ihre Lippen. Blasen stiegen vor ihren weit aufgerissenen Augen auf. Ihre Hände spannten sieh um die Gitterstäbe und rüttelten daran.
Es gab kein Entkommen.
Als Amanda O’Nelly starb sie einen schrecklichen Tod. Aber sie erwachte wieder
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