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0779 - Der Nebelwolf

0779 - Der Nebelwolf

Titel: 0779 - Der Nebelwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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war. Der Sumpf war ein wichtiger Regulator für die Umwelt, und zum Teufel mit dem, der ihn trockenlegen wollte.
    Eine blasse Landschaft glitt an uns vorbei. Auch bedingt durch den grauen Dunst, der sich an der Wasserfläche festklammerte und alles wie mit Leichentüchern überdeckte.
    Ivory sprach nicht. Er ruderte nicht schnell oder hektisch, aber wir kamen gut voran.
    Ich beobachtete die Umgebung. Oft genug tauchten gespenstische Gestalten aus dem Wasser auf. Zumindest waren es abgestorbene Zweige von Bäumen, die irgendwann einmal in das Wasser gefallen und in den ewigen Kreislauf hineingezogen waren. Sie kratzten manchmal an der Bordwand wie die Hände irgendwelcher Zombies.
    Wir glitten auch durch Sumpfgrasinseln. Unser Boot teilte sie wie ein breites Messer. Da war das Wasser dann so flach, dass die Ruder hochgehalten werden mussten.
    Manche Menschen mochten sich ja über eine derartige Fahrt freuen, ichdachte anders darüber und wartete darauf, endlich ein Ziel erreichen zu können.
    Ivory sah mir die Ungeduld an und lächelte kantig. »Keine Sorge, wir haben es bald hinter uns.«
    »Wieso? Ich habe nichts gesagt.«
    »Manchmal kann ich Gedanken lesen.«
    Ich hob die Schultern. »Dann sind Sie besser als ich.«
    Durch den Dunst schaute ich auf etwas Kompaktes, Dunkles, das sich wie eine treibende Insel hinter den grauen Schleiern abmalte.
    Hoss Ivory hatte meinen Blick bemerkt, er nickte und erklärte mir, dass dies unser Ziel wäre.
    »Und was ist das genau?«, erkundigte ich mich.
    »Eine Insel im Sumpf, eine relativ trockene Stelle, doch nur mit dem Boot zu erreichen.«
    »Dort wartet die Überraschung?«
    »Ich hoffe es doch.« Er ruderte stärker, die Insel rückte näher. Um sie drehten sich meine Gedanken. Ich dachte an Ivorys Erzählungen, mir kam das furchtbare Heulen in den Sinn. So stellte ich mir die Frage, ob sich auf dieser Insel auch die Wölfe aufhielten, die das Heulen ausgestoßen hatten, wobei ich auch an Werwölfe dachte, denn für diese Geschöpfe war ich eigentlich zuständig.
    Ich hatte den Eindruck, als würde sich die Insel bewegen, aber es war nur unser Kahn, der schaukelte.
    »Sie können jetzt ein Ruder übernehmen, John. Das Wasser wird gleich sehr flach. Wir müssen den letzten Rest staken.«
    »Okay.« Ich drückte das Ruder ins Wasser und spürte schon sehr bald den weichen Widerstand. Moorschlamm auf dem Grund. In Jahrmillionen gebildet.
    Es wurde kalt. Unnatürlich kalt. Ich glaubte, von einem Eishauch umweht zu sein, und mir kam es plötzlich vor, als hätten wir eine gewisse Grenzeüberschritten. Vielleicht die zu einem unsichtbaren Reich, dem der Toten.
    Auch Ivory hatte eine Gänsehaut bekommen. »Spüren Sie es auch, John?«, fragte er flüsternd.
    Ich nickte. »Ja, was ist das?«
    »Die andere Kälte.«
    Mit dieser Antwort konnte ich nichts anfangen, bat um eine Erklärung, doch Hoss schüttelte den Kopf. »Sie werden gleich merken, was ich damit gemeint habe.« Er fügte noch etwas hinzu, das mich stutzig machte. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.«
    »Meinen Sie?«
    »Ja, es kann hier sehr gefährlich werden.« Er stand auf, das Boot schwankte etwas, als er sich abstieß, dann klatschte er mit beiden Füßen in das seichte Uferwasser.
    An einem Tau zerrten wir den Kahn gemeinsam an Land. Auch ich stand jetzt im Wasser und war mehr als froh, in die Stiefel geschlüpft zu sein.
    »Da wären wir.«
    »Sicher«, sagte ich und schaute mich um. Wir standen auf einer Insel, okay, wir befanden uns aber auch gleichzeitig in einem Wald, wie ich noch keinen erlebt hatte. Die Bäume waren nur noch kahle Gerippe. Sie hatten ihr Laub verloren.
    »Fällt Ihnen etwas auf, John?«
    »Sicher. Das Laub…«
    Hoss Ivory lachte. Das raue Geräusch passte sich dieser kahlen Umgebung irgendwie an. »Sie haben völlig Recht. Hier ist alles tot, hier lebt nichts mehr. Hier kann auch nichts leben.«
    »Warum nicht?«
    Hoss schaute sich um, bevor er dicht an mich herantrat und seine Stimme dämpfte. »Weil hier das Böse regiert. Hier hat es sich manifestiert. Hier ist etwas Schreckliches, John, und ich habe manchmal das Gefühl, als wäre der Untergang der Welt von hier aus eingeleitet worden.«
    Seine Worte hatten mich sprachlosgemacht. Ich musste mich räuspern, hob die Schultern, versuchte so etwas wie ein Lächeln, das leider misslang. »Nun ja«, sagte ich, »so schlimm sehe ich das nicht. Ich habe eher den Eindruck, als hätte die Natur…«
    »Nichts ist mit der Natur, John. Hier

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