Rolf Torring 058 ~ Australische Wilde
1. Kapitel Die Schenke im Busch.
Rolf stieß einen leisen Ruf aus und zügelte seinen prächtigen Gaul. Als wir sofort seinem Beispiel folgten, zeigte er halblinks in die Ferne und sagte:
„Dort hinten beginnt wieder der Busch. Und ich glaube, eine Rauchwolke dort zu sehen. Oder sollte ich mich täuschen?"
Es war leicht möglich, daß eine Lache nach dem kräftigen Regen, den wir in der Nacht gehabt hatten, jetzt durch die heißen Sonnenstrahlen verdampfte.
Ich blickte scharf zum Busch hinüber und meinte endlich:
„Es scheint Wasserdampf zu sein. Wäre es der Rauch eines Lagerfeuers, so würden wir eine Rauchsäule sehen. Dort drüben hängt aber eine breite Wolke zwischen den Büschen."
Doch da rief Pongo, der natürlich mit seinen schärferen Augen mehr sah:
„Dort Rauch von Feuer, Massers."
Rolf zog sein Fernglas hervor.
„Pongo hat recht," sagte er nach kurzem Hinblicken, „es ist bläulich gefärbter Rauch. Verwunderlich ist, daß er eine so breite Wolke bildet. Sollten Eingeborene den Busch angezündet haben? Doch nein, sie hätten ja jetzt, nach dem furchtbaren Regen, keinen Erfolg damit. Also muß es wohl doch ein Lagerfeuer sein."
„Und da alle Äste von dem Regen durchnässt sind, ist auch die breite Wolke erklärt," fiel ich ein. „Schade nur, daß Leutnant Walker mit seinen Leuten abgeschwenkt ist; ich befürchte, daß er sich auf der falschen Spur befindet. Wenn wir jetzt die übrigen Banditen und Neger vor uns haben, kann es uns schlecht ergehen."
„Allerdings," gab Rolf zu, „das wäre sehr unangenehm. Meiner Meinung nach werden wir bald auf die restlichen Banditen stoßen. Ich habe ja Walker sofort — leider vergeblich — gesagt, daß die Spur, auf die wir kamen, zu auffällig war. Ich fürchte jetzt sogar sehr, daß Walker mit seinen Leuten in einen Hinterhalt gelockt werden soll."
„Wenn wir schnell zurückreiten, können wir ihn vielleicht noch rechtzeitig warnen," meinte ich. „Er kommt ja, wenn er die Richtung einhält, in der diese Spur lief, direkt auf den Eyre-See. Wenn wir jetzt etwas südwestlich reiten, müßten wir noch vor dem See mit ihm zusammenstoßen."
Rolf überlegte. Offenbar schwankte er zwischen dem Wunsch, den Leutnant und seine Leute zu warnen, und der Notwendigkeit, die Ursache der seltsamen Rauchwolke in den entfernten Gebüschen zu untersuchen.
Ich störte ihn nicht in seinem Grübeln, sondern überlegte, was wir jetzt wohl am besten tun könnten. Schon zwei Tage waren wir mit Leutnant Walker und seinen Polizisten unterwegs auf der Verfolgung einer Anzahl weißer Buschklepper und räuberischer Australneger, die einen Überfall auf einen Goldtransport und die Farm eines reichen Schafzüchters unternommen hatten. Wohl waren viele von ihnen gefallen oder gefangen, aber ein beträchtlicher Teil war doch entkommen (Siehe Band 57.)
Durch einen Gefangenen, der sich durch seine Wut hatte hinreißen lassen, hatten wir erfahren, daß sich der ständige Schlupfwinkel der Bande am Eyre-See befinden sollte. Doch hatte er hinzugefügt, daß wir dort unser Verderben finden würden. Also hatte die Bande ihren Schlupfwinkel sicher entsprechend gegen Eindringlinge verwahrt.
Vor wenigen Stunden waren wir nun auf eine breite Fährte gestoßen, die nach Westen lief, direkt auf den Eyre-See zu. Walker erklärte sofort, hier entlang müsse die Bande geflüchtet sein, um ihren Schlupfwinkel aufzusuchen.
Rolf aber hatte eine schmale Spur entdeckt, die von nur zwei Reitern herrühren konnte und nach Norden führte. Da hatte er sofort vermutet, die breite Spur sei nur Täuschung, aber Walker wollte sich nicht abhalten lassen, ihr mit seinen Leuten zu folgen.
Rolf dagegen hatte auf der Verfolgung der schmalen Spur bestanden, und so hatten wir uns getrennt. Leutnant Walker war ungehalten, daß wir auf unserer Absicht bestanden, und der Abschied war etwas frostig ausgefallen.
Jetzt schien es aber, als hätte Rolf mit seinen Befürchtungen recht. Walker und seine Leute ritten sicherlich in irgendeine hinterlistige Falle.
„Wir müssen zuerst sehen, was es mit dieser Rauchwolke für eine Bewandtnis hat," entschied Rolf plötzlich. „Es ist ein Zeitverlust von höchstens einer halben Stunde für uns. Vom Busch aus können wir dann die Richtung nach Südwest einschlagen. Wir dürfen auf keinen Fall in unserem Rücken Leute lassen, von denen wir
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