0783 - Die Kontaktzentrale
gekommen sein."
„Ich glaube, wir können froh sein, daß wir nicht mit dem Boot losgefahren sind", sagte Cesynthra. Sie erhob sich und musterte den vor ihnen liegenden Weg. „Wir wollen wieder aufbrechen, sonst werden wir noch von den anderen beschämt."
Cesynthra und Honth kamen nur langsam voran. Als der Grat aufwärts stieg, machten sie die Erfahrung, daß ein steiler Aufstieg psychologisch weit weniger belastend ist als ein ebenso steiler Abstieg. Dennoch ließen ihre psychischen Kräfte rasch nach.
Die beiden Solaner waren keineswegs unsportlich, denn auf der SOL gab es zahlreiche Möglichkeiten, sich fit zu halten und die körperliche Leistungsfähigkeit durch Training zu steigern. Aber es war eben ein gewaltiger Unterschied, ob man täglich eine Stunde Konditionstraining betrieb oder unter einer Schwerkraft von 1,21 Gravos in glühender Hitze und mit trockenem Gaumen mehrere Stunden lang über einen rissigen und mit Geröll übersäten Grat kletterte.
Deshalb atmeten die beiden Solaner erleichtert auf, als sich dunkle Wolken vor die Sonne schoben und ihnen Schatten spendeten.
„Ich bin gespannt, ob wir tatsächlich ein Phänomen erleben dürfen, das man ,Regen' nennt", meinte Honth, nachdem er einen Blick auf die Wolken geworfen hatte.
„Hydrometeore?" fragte Cesynthra. „Das meintest du doch?"
„Richtig", antwortete Honth. „Regen ist ein atmosphärischer Niederschlag, dem die Kondensation von Wasserdampf vorausgeht." Cesynthra blieb stehen. Ihre Miene hellte sich auf.
„Dann müßte Regenwasser destilliertes, also reines Wasser sein. Das ist immer noch besser als Trinkwasser aus freien Gewässern."
Honth Fermaiden schüttelte den Kopf.
„Leider stimmt das nicht, Cessy. Ich habe einige INFOs darüber studiert, weil ich bei meiner Arbeit als Solarium-Techniker auf die Frage stieß, wie die Pflanzungen auf Planeten bewässert werden. Regenwasser ist kein reines Wasser, sondern enthält Beimengungen, beispielsweise von Ammoniak, Stickstoff, Salpetersäure und von anderen atmosphärischen Schwebestoffen."
Cesynthra starrte ihren Gefährten erschrocken an.
„Salpetersäure?" fragte sie entgeistert. „Dann müssen wir so schnell wie möglich Schutz vor dem Regen finden, sonst werden wir von dem Regen skelettiert."
Honth lachte so schallend, daß er sich sein rundes Bäuchlein halten mußte.
„Ich finde die Vorstellung nicht erheiternd", sagte Cesynthra böse.
Allmählich beruhigte sich Honth wieder.
„Aber ich", entgegnete er. „Der Gedanke, daß Regenwasser soviel Salpetersäure enthält, daß es Menschen, skelettieren könnte, ist grotesk. Wie könnte es dann auf Planeten überhaupt Pflanzen und Tiere geben!"
„Das ist mir schon immer ein Rätsel gewesen", gab Cesynthra verärgert zurück."
„Auf sogenannten erdähnlichen Welten wie dieser ist Regen ungefährlich für Menschen", erklärte Honth Fermaiden. „Auf der Erde soll man früher sogar Regenwasser aufgefangen und zum Trinken verwendet haben. Darauf möchte ich zwar verzichten, aber wir brauchen uns vor keinem Regen zu fürchten."
Sie kletterten weiter, während der Himmel sich immer stärker bewölkte. Als sie den Grat hinter sich ließen und das Plateau betraten, war es beinahe dunkel geworden.
Honth entdeckte in der Nähe eine Quelle, aus der ein glasklares Rinnsal sprudelte und sich zwischen Steinen und Pflanzen verlor.
Er wollte Cesynthra darauf aufmerksam machen, kam aber nicht mehr dazu.
Der gesamte Himmel schien plötzlich in Flammen zu stehen.
Netzartig verästelte Entladungen zuckten zwischen den Wolken hin und her; andere Entladungen fuhren mit großer Heftigkeit herab. Ein mächtiger Baum stand schlagartig in Feuer gehüllt da.
Im nächsten Moment krachte es ohrenbetäubend und immer und immer wieder.
Cesynthra Wardon und Honth Fermaiden warfen sich zu Boden, bargen die Gesichter in den Armbeugen und warteten auf den Tod.
*
Irgendwann später, für die beiden Solaner schien eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein, öffneten sich die Schleusen des Himmels. Der Wolkenbruch schüttete gewaltige Wassermassen herab und löschte die durch Blitze verursachten Brände.
Für Cesynthra und Honth war es so, als würde eine Flutwelle sie ertränken. Sie richteten sich auf, schnappten verzweifelt nach Luft, schluckten Wasser und glaubten, ersticken zu müssen.
Dabei hätten sie nur die Köpfe zu senken brauchen, um der Erstickungsgefahr zu entgehen.
Allerdings hielten ihre Fehlreaktionen nicht lange an.
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