0788 - Schreckensnacht der weißen Nonne
schlafenden Personen haben sich vereint, sie bilden gewissermaßen eine Masse. Dabei sind die Funktionen des Körpers auf ein Minimum reduziert. Ich möchte sagen, dass man sie als scheintot bezeichnen kann.«
»Das ist auch schlimm genug.«
»Sicher.«
»Würdest du dir denn zutrauen, sie zu wecken, falls es einmal nötig werden sollte?«
»Das müsste ich versuchen, doch nicht jetzt. Wir können froh sein, nicht von meinen Mitschwestern gestört zu werden, und wir sollten uns im Kloster weiter umschauen.«
»Obwohl wir die Äbtissin hier nicht finden werden.«
»Das stimmt schon.« Anina senkte den Blick. Sie wurde sehr nachdenklich. »Da ist noch etwas, das ich herausfand. Ich glaube nicht, dass alle Nonnen in diesen tiefen Schlaf gefallen sind, denn es hat etwas gegeben, das mich störte. Es waren fremde und gleichzeitig auch böse Strömungen vorhanden. Ich habe mir darüber meine Gedanken gemacht und bin auch zu einem Ergebnis gekommen, denke ich.«
»Zu welchem?«
»Erinnerst du dich daran, dass ich dir von zwei Nonnen berichtete, die oft an Virginas Seite gewesen sind?«
»Ja, Larissa und Monica waren ihre Namen.«
»Kompliment, du hast sie gut behalten.«
»Was ist mit ihnen?«
»Wir müssen damit rechnen, John, dass sie sich noch hier im Kloster aufhalten. Virginia wird sie als Wachtposten zurückgelassen haben. Wenn das zutrifft, müssen wir auch davon ausgehen, dass sie versuchen werden, uns zu töten.«
Sie hatte die Tatsachen gelassen ausgesprochen, was mich allerdings nicht überraschte. Es war logisch, dass auch Personen wie die Äbtissin Sicherheiten einbaute, und das Kloster war groß genug, um sich vor uns verstecken zu können.
»Lohnt es sich für uns, nach ihnen Ausschau zu halten?«, fragte ich.
Anina hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, John, aber wenn du es willst…«
»Nicht unbedingt, denn ich gehe davon aus, dass sie uns über den Weg laufen werden.«
»Das kannst du,«
»Wo könnte das sein?«
Anina überlegte nicht lange. »Wir sollten uns das Büro und das Zimmer der Äbtissin anschauen. Ich denke schon, dass wir dort einen Hinweis finden können.«
»Finde ich auch.«
»Wo liegt der Raum?«
Anina lächelte vor ihrer Antwort. »Neben der Kapelle, John. So ungewöhnlich es sich anhört.«
»Warum ungewöhnlich?«
»Weil sie diese kleine Kirche nie mit uns zusammen betreten hat. Da muss es schon etwas Ungewöhnliches geben oder gegeben haben.«
»Genau das hat mich schon immer interessiert«, sagte ich. »Los, lass uns gehen…«
***
Bei der dritten Tür hatten wir insofern Pech, dass sie abgeschlossen war. Ich rüttelte mehrmals an der Klinke, ohne etwas daran ändern zu können, aber Anina wusste eine Lösung. Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten wollte sie einsetzen. Sie ließ ihren zweiten Körper entstehen, der wie ein bleicher Schatten durch das Holz der Tür glitt und für mich nicht mehr zu sehen war. Dafür hörte ich wenig später, wie von innen ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde und mir sich die Tür öffnete.
»Komm herein. Ich wusste, wo der zweite Schlüssel hängt…«
»Du überraschst mich immer wieder, Anina.«
Sie gab keine Antwort und drehte sich um. Ich erkannte, dass sich die Spannung bei ihr ebenso löste wie bei mir, denn der Gang in dieses Büro hätte auch zu einer Falle werden können.
Und es war ein Büro, nichts anderes. Wir trauten uns jetzt, das Licht einzuschalten. Zwei Wandleuchten und die Schreibtischlampe flackerten auf.
Anina war hinter dem dunklen Schreibtisch stehengeblieben. Ich durchwanderte den Raum und schaute mir dabei die Wände an.
Dort hing kein Kreuz, kein anderes kirchliches oder christliches Symbol. Ich sah auch keine Bilder, nur eben die kahlen Innenmauern, und das wiederum machte mich nachdenklich.
Ich wollte mich auf keinen Fall als Fachmann bezeichnen, aber das Büro einer Äbtissin sah anders aus. Vor einem Schrank mit Glastür blieb ich stehen. Hinter dem Glas sah ich die dicht zusammengedrängt stehenden Akten, doch einen Hinweis auf magische Aktivitäten entdeckte ich nicht.
Anina machte sich am Schreibtisch zu schaffen. Sie zerrte verschiedene Schubladen an den Seiten auf. Bei jedem Aufziehen knallten sie gegen die Sperren. »Was suchst du?« fragte ich. »Etwas Bestimmtes?«
»Nein, nicht direkt.«
»Sondern?«
»Einen Hinweis auf ihr verfluchtes Tun!«, flüsterte sie scharf und nahm sich die andere Seite des Schreibtisches vor, die ebenfalls mit übereinander liegenden Schubladen
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