0796 - Luzifer
vom Pfad abkam und in den Moloch stürzte, denn seine Sinne ließen ihn nicht im Stich. Auch ohne dass er den Untergrund sah, erkannte er, wohin er seine Schritte setzte.
Ganz wohl war ihm trotzdem nicht in seiner Haut, denn er traute diesem Zauberer nicht. Zwar stammte die Idee zu diesem Pakt von ihm, aber irgendetwas an dem Spiegelwelt-Merlin war falsch. Er war einen Hauch zu kooperativ.
»Was willst du uns mit diesem Blendwerk beweisen?«, fragte er.
Merlin wandte sich zu ihm um, ohne sein Tempo zu verringern. Seine erhobener Stab lenkte ihn sicher. »Von was für Blendwerk redest du? Wir bewegen uns in einem realen Bereich der Hölle.«
»Das erkenne ich auch, aber ich halte unseren zeitraubenden Marsch für unnötig. Wir können viel leichter an unser Ziel kommen. Du bist in der Lage, uns zu transportieren, und Stygia ist es ebenfalls, wenn du ihr den Weg weist.«
»Das könnte ich tun, aber damit täte ich uns keinen Gefallen«, wehrte der Magier ab. »Wir müssen eine falsche Fährte legen, damit niemand unserem wahren Ziel auf die Schliche kommt.«
»Dazu, gibt es einfachere Wege als diesen.«
»Sicher gibt es die, aber die einfachsten Wege sind nicht immer die wirkungsvollsten.«
Verächtlich spuckte Calderone aus. Derartige Phrasen mochte er überhaupt nicht. Sie waren nur ein Zeichen für fehlende stichhaltige Argumente. Seiner Meinung nach vertrödelten sie nur ihren Vorsprung. Jede Minute, die sie unterwegs waren, vergrößerte die Gefahr, dass jemandem ihre Präsenz auffiel.
Was war mit seinem Kollegen in der Spiegelwelt-Hölle? Bemerkte der nichts? Dann war er ein schlechter Statthalter seines KAISERS. Calderone wäre in der eigenen Hölle nicht entgangen, wenn Fremde aus der Spiegelwelt eingedrungen wäre. Offenbar war der hiesige Lucifuge Rofocale dazu aber nicht in der Lage.
Viel mehr war hier anders, als Calderone sich das ausgemalt hatte.
Er suchte den Blickkontakt zu Stygia, aber sie machte einen arglosen Eindruck auf ihn. Anscheinend hegte sie Merlin gegenüber kein Misstrauen. Das hatte sich aber rasch geändert, dachte Calderone. Umso wichtiger war es, dass er selbst die Augen offen hielt, wenn sie nicht in eine Falle tappen wollten.
Du wirst allmählich paranoid. Wir sind auf den alten Knaben angewiesen, schärfte er sich ein.
Je weiter sie kamen, desto lauter wurden die schmatzenden Geräusche. Sie klangen gierig. Gelegentlich blähten sich Blasen aus dem Moor auf und zerplatzten. Triefendes Erdreich wurde in alle Richtungen geschleudert, und stinkende Gase stiegen auf.
Vergeblich versuchte Calderone ein Ende des Moors zu erkennen, aber es erstreckte sich, soweit sein Auge reichte. Am fernen Horizont zogen Schwärme geflügelter Geschöpfe dahin, die ihn an die Nazgul aus einem Roman erinnerten, den er einst gelesen hatte, als er noch ein Mensch gewesen war.
»Taragen«, erklärte Merlin beiläufig, wobei er mit seinem Stab in die Ferne deutete.
Calderone erinnerte sich nicht daran, in der heimischen Hölle von derartigen Viechern gehört zu haben. Ein weiterer Hinweis auf die zahlreichen Unterschiede, die zwischen den beiden Dimensionen existierten.
Zum Glück bewegten sich die Taragen von ihnen weg. Er hatte keine Lust, sich auch noch mit irgendwelchen hungrigen Kreaturen herumzuschlagen, die ihn für eine vermeintlich leichte Beute hielten.
Ein durchdringendes Grollen riss ihn aus seinen Gedanken. Gleichzeitig begann der Pfad unter seinen Füßen zu beben. Riesige Erdschollen wurden in die Luft gewirbelt, und der aufgepeitschte Schlamm bildete einen schmutzigen Vorhang vor dem Horizont. Die Taragen stellten die geringste Gefahr dar.
»Ich spüre etwas«, stieß Stygia aus. »Da kommt etwas auf uns zu. Es kommt aus der Tiefe.«
Calderone nahm die Gefahr ebenfalls wahr. Für einen Moment erwartete er, dass ihre Anwesenheit entdeckt worden war, aber was sich ihnen in den Weg stellte, hatte nichts mit dem höllischen Adel zu tun. Es war eine geifernde Kreatur, die den Weg sprengte und ihn unpassierbar machte.
»Wir haben keine Zeit für solch einen Mist.« Panik keimte in Calderone wegen der Verzögerung, die seinen Plan gefährden konnte. Merlin hätte das voraussehen müssen, schließlich kannte er sich - angeblich - hier aus.
Schaurig hallte das Fauchen der Kreatur übers Moor, als sie ohne zu zögern zum Angriff überging. Ihr Gebrüll verlor sich in den Nebeln.
Sie war über fünf Meter groß und hatte die Gestalt einer Echse. Unterarmlange Zähne wurden in ihrem
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