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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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verscheuchen, sondern musste wenigstens sehen, in welche Richtung es floh.
    Im Anpirschen an scheue Tiere konnte sie auf einen Erfahrungsschatz von inzwischen fast dreißig Jahren zurückgreifen. Sie war noch keine zwanzig gewesen, als sie zum ersten Mal der Spur eines Tiers gefolgt war, das es damals offiziell gar nicht gegeben hatte.
    Was, gesellte sich ein weiterer Gedanke dazu, wenn es kein harmloses Tierchen ist, sondern ein Puma oder Jaguar, der sich von dir in die Enge gedrängt fühlt?
    Dann rede ich ihm gut zu, dachte sie und meinte das sogar ein kleines bisschen ernst. Sie hatte in der Vergangenheit häufig den Eindruck gewonnen, dass ein besänftigender Tonfall helfen konnte, Tiere zu beruhigen, die meist mehr Angst vor dem Menschen hatten als umgekehrt.
    Aber es war kein Tier, das sie da aufgestört hatte.
    Schlaglichtartig projizierte ihre Fantasie grässliche Bilder in ihren Kopf, als das schwere, raue Atmen abermals erklang und sich anhörte, als käme es direkt aus dem Fels.
    Xibalbá , wisperte es in Abby, und sie sah Fratzen unheimlicher Götter, Tiere und grauenhafter Mischwesen, von denen die Maya ihre mythologische Unterwelt bevölkert sahen. Als lägen diese Vorstellungen wie etwas Atembares in der Luft, fühlte sie sich einen Moment lang von ihnen umtanzt und drehte sich mit ihnen – bis sie erstarrte.
    Das imaginäre Geschöpf kannte ihren Namen! Er geisterte plötzlich neben allen anderen Lauten als Echo durch die Finsternis: Abby … Abby … Abby …
    ***
    Schottland
    Das Wiedersehen mit Oake Dún war für Tom Ericson bittersüß, wobei die bittere Note mit jedem Schritt, den sie tiefer in die Burg vordrangen, eine Spur mehr überwog.
    Denn Oake Dún war nicht nur verlassen, sondern leer, teils ordentlich ausgeräumt, teils unübersehbar geplündert. Die Burg, die einmal altehrwürdig gewesen war, wirkte heute tot und ausgeweidet.
    Keine Spur mehr von Ian Sutherlands Sammlung archäologischer Artefakte, die er, ebenso wie zahllose Kunstgegenstände, über alle Räume verteilt hatte. Kaum etwas war noch übrig von der Einrichtung, die sehr modern, aber durchsetzt gewesen war mit einzelnen Dingen, wie man sie in einer schottischen Burg zu sehen erwartete: Rüstungen, die neben Türen und in Korridoren wachten, alte Waffen an den Wänden, Dudelsäcke, auf denen Sutherland und Connor, sein Butler, manchmal gespielt hatten.
    Die herrschende Leere war wie gnädig mit Staub überzogen, als wollte Oake Dún seine hässliche Blöße bedecken. Hier und da hatte man Reste von Mobiliar in Ecken zusammengeschoben wie zu einem Lager.
    »Stinkt«, befand Alejandro, der sich überraschend interessiert umschaute in dem Licht, das durch die Fenster hereinfiel und Inseln aus Helligkeit und Dämmerung schuf.
    »Stimmt – nach Mäusescheiße«, pflichtete Tom dem Jungen bei. Er nutzte jede Gelegenheit, sich ihm ein bisschen vertrauter zu machen.
    Jandro lachte über das »schmutzige Wort« und kassierte prompt von seiner Schwester einen Rippenstoß.
    Sie gingen weiter. Doch schon nach ein paar Schritten blieb Alejandro stehen und streckte den Arm aus. Etwas auf den ersten Blick Undefinierbares baumelte vor seinem Gesicht.
    »Fass das nicht an!«, entfuhr es Maria Luisa.
    Der junge Mann gehorchte, zog die Hand zurück und blies stattdessen gegen seinen Fund.
    Es klimperte leise.
    Tom trat neben Jandro – und vor das Mobile aus dünnen Tierknochen und -schädeln. Gefertigt aus Bindfaden und Zweigen, hing es von einem Kronleuchter mit eingestaubten Kerzen herab. Die Knöchelchen und Köpfchen – alles offenbar von Ratten, Mäusen, Kaninchen und Vögeln stammend – klapperten leise gegeneinander.
    »Gehörte das auch zur Sammlung von Señor Sutherland?«, fragte Maria Luisa ein bisschen angeekelt – und ein bisschen ängstlich.
    Tom schüttelte den Kopf. »Nein. Das muss jemand anderes aufgehängt haben. Vielleicht ein Landstreicher, der hier mal Unterschlupf gefunden hat.«
    »Ein Landstreicher?«, echote Maria Luisa und sah ihn mit großen Augen an. »Ich bin mir nicht sicher, ob es so eine gute Idee war, hierher zu kommen. Und ich weiß nicht, ob ich bleiben möchte … oder kann.« Sie schlang die Arme um sich und sah sich um, als erwartete sie, mit jedem Blick eine weitere Unerfreulichkeit zu entdecken.
    »Das kann Jahre her sein«, beruhigte Tom sie. »Wenn sich jemand hier herumtreiben würde, hätten wir seine Fußspuren gefunden – es sei denn, es war das heimische Burggespenst«, fügte er

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