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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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wahrlich superbe war es nur hier, in diesem kleinen Restaurant mit traditioneller Küche, das schlicht »Le Bouchon« hieß, obgleich es nur eines von vielen Bouchons in der Stadt an der Saône war.
    Er war in offizieller Mission im Hauptquartier gewesen, und einer seiner liebsten Kollegen dort, Audric Guignard, hatte seine Einladung ins »Le Bouchon« gern angenommen.
    »Du wirst mir fehlen«, sagte Guignard, als sie nach dem Essen noch zusammen an dem schlichten kleinen Tisch saßen und einen Cognac genossen.
    »Solange es das ›Le Bouchon‹ gibt, werde ich auch nach meiner Pensionierung nächstes Jahr immer wieder nach Lyon kommen«, erwiderte McDevonshire, ein Mann, der allein seiner Größe wegen überall auffiel und dem der britische Gentleman aus jedem Knopfloch schaute.
    »Trotzdem«, meinte Guignard. »Interpol wird ohne dich nicht mehr so sein, wie es war.«
    McDevonshire zuckte die breiten Schultern. »Ich werde das Büro auch vermissen.«
    »Du hast heute Nachmittag im Sekretariat gesagt, du würdest zum Ende deiner Karriere gerne noch einen dicken Fisch an Land ziehen«, hakte Guignard bei diesem Stichwort ein und offenbarte, dass er McDevonshire nicht ohne Hintergedanken zum Essen begleitet hatte. »Ich hätte da vielleicht etwas für dich.« Er räusperte sich. »Und wenn dir der Fall direkt hier in Lyon übertragen würde, dann könnte dein Chef in London, dieser …«
    »Jorgensen.« McDevonshire sprach den Namen aus, als müsste er dabei eine Zyanidkapsel zerbeißen.
    »Jorgensen, richtig. Nun, dann könnte Jorgensen gar nichts dagegen machen. Das Wort aus dem Generalsekretariat wiegt schwerer als jede Anweisung aus einem der Zentralbüros.«
    Allein das klang in McDevonshires Ohren schon interessant – die Chance, Jorgensen eine lange Nase drehen zu können. »Worum geht es bei deinem Fall?«, wollte er wissen.
    »Unter anderem um Víctor Javier Tirado. Sagt dir der Name etwas?«
    McDevonshire brauchte nur kurz zu überlegen. »Ein spanischer Kunstsammler, sehr angesehen, sehr einflussreich. Ich bin ihm irgendwann mal kurz begegnet. Ein ziemlicher Geck, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Und jetzt ziemlich tot.«
    »Ach. Wie das?«
    »Er wurde ermordet.«
    »Und das interessiert uns, also Interpol, aus welchem Grund?«
    »Weil sein mutmaßlicher Mörder sich aus Spanien abgesetzt hat, nach Frankreich, wie es aussieht.«
    »Sieh an. Dann spaziert er womöglich gerade irgendwo da draußen herum«, McDevonshire wies zum Fenster des Restaurants hinaus, »dieser … Hat er denn einen Namen, unser mutmaßlicher Mörder?«
    »Ja.« Audric Guignard nickte. »Er heißt Thomas Ericson.«
    ***
    Yucatán
    In erster Linie hatte sie Xavier Soto nicht aus Unbarmherzigkeit und Rachsucht liegen lassen, sondern weil sie schlicht nicht wusste, wie sie ihn aus dieser Unterwelt schaffen sollte – Abby wusste ja nicht einmal, wie sie selbst ans Tageslicht kommen würde. Wobei das Tageslicht inzwischen von der Nacht verschluckt worden war und Soto dementsprechend in der stockdunklen Grotte vor sich hin zeterte, jammerte und Abby sämtliche Plagen an den Hals wünschte, von denen die Menschheit je heimgesucht worden war.
    Sie stand unterdessen vor der unterirdischen Steilwand, unter deren Rand der Fluss verschwand, in den sie gestürzt war. Aus der Grotte, in der Soto gelandet war, gab es keinen Weg zu dem Loch hinauf. Die Decke der Grotte lief nach oben hin glockenförmig zu, und allenfalls ein sehr erfahrener Freeclimber oder Spider-Man hätte vielleicht an ihr entlang und hinausklettern können.
    Abby war keines von beidem.
    An der Strömung und den Strudeln im Wasser ließ sich erkennen, dass der Fluss unterhalb dieser Steilwand tatsächlich weiterführte und irgendwohin floss. Die Frage, die sich unverändert stellte, war: Kam der Fluss wieder in einer Höhle zum Vorschein – und wenn ja, tat er das in tauchbarer Entfernung?
    Abby war entschlossen, die Probe aufs Exempel zu machen. Nicht aus Zuversicht und Furchtlosigkeit, sondern weil ihr ganz einfach keine andere Wahl blieb.
    Sie hatte im Taschenlampenschein eine Felsnase gefunden, um die sie das dünne leichte Kunststoffseil, das sie im Rucksack dabei hatte, binden konnte. Das andere Ende hatte sie zu einer Schlaufe geknüpft, in die sie geschlüpft war und die nun stramm unter ihren Achseln saß.
    Das Seil war fünfzig Meter lang. Abby hatte es doppelt genommen und damit auf die Hälfte verkürzt. Fünfundzwanzig Meter, so lange konnte sie die Luft

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