08-Die Abschussliste
für die Ermittlungen notwendig erachtet werden kann, ist das bei der Beschwerde wegen Brutalität nicht der Fall. Weil die beiden Zivilisten offenbar überhaupt nichts mit dem fraglichen Fall zu tun hatten.«
»Ich war falsch informiert«, erklärte ich.
»Das ändert nichts an den Tatsachen, fürchte ich.«
»Ihr Zeuge ist tot.«
»Er hat eine beeidigte Erklärung hinterlassen. Die hat ewig Bestand und die gleiche Wirkung, als stünde er als Zeuge vor Gericht.«
Ich schwieg.
»Die Angelegenheit lässt sich auf ein einfaches Ja oder Nein reduzieren. Haben Sie getan, was Carbone Ihnen in seiner Beschwerde vorwirft?«
Ich schwieg.
Der Oberstleutnant stand auf. »Sie können die Sache mit Ihrem Rechtsbeistand besprechen.«
Ich sah zu dem Hauptmann. Offenbar war er mein Anwalt. Der Oberstleutnant verließ den Raum. Der Hauptmann beugte sich nach vorn, schüttelte mir die Hand und nannte seinen Namen.
»Sie sollten etwas nachsichtiger mit dem Oberstleutnant sein«, meinte er. »Er lässt Ihnen ein ziemlich großes Schlupfloch. Diese ganze Sache ist eine Farce.«
»Ich habe das Boot ins Schwanken gebracht«, sagte ich. »Jetzt hat’s die Army auf mich abgesehen.«
»Sie täuschen sich. Niemand will Sie wegen dieser Sache drankriegen. Willard hat uns zum Handeln gezwungen, das ist alles. Deshalb müssen wir die Formalitäten einhalten.«
»Und die sind?«
»Sie streiten die Sache einfach ab. Damit ist Carbones Aussage zweifelhaft, und da er nicht mehr ins Kreuzverhör genommen werden kann, wirkt sich der Sechste Verfassungszusatz, der Ihnen das Recht auf Gegenüberstellung mit dem Belastungszeugen gibt, zu Ihren Gunsten aus und garantiert die automatische Einstellung des Verfahrens.«
»Wie würde das ablaufen?«, fragte ich.
»Sie unterschreiben genau wie Carbone eine eidesstattliche Versicherung. Seine sagt schwarz, Ihre sagt weiß, das Problem löst sich auf.«
»Eine schriftliche Aussage?«
»Die dauert fünf Minuten. Wir können das gleich hier erledigen. Ihr Korporal tippt Ihre Aussage und unterschreibt als Zeuge. Kinderleicht.«
Ich nickte.
»Wie sähe die Alternative aus?«, wollte ich wissen.
»Sie wären verrückt, wenn Sie auch nur an eine Alternative denken würden.«
»Was würde passieren?«
»Sie würden sich praktisch schuldig bekennen.«
»Was würde passieren?«, wiederholte ich meine Frage.
»Wenn Sie sich schuldig bekennen? Degradierung, Gehaltskürzung, beides rückwirkend ab dem Tag des Vorfalls. Weniger würde uns die Abteilung Zivilfälle nicht durchgehen lassen.«
Ich schwieg.
»Man würde Sie zum Hauptmann degradieren. Bei der gewöhnlichen
Militärpolizei, weil die Hundertzehnte Sie nicht mehr haben wollen würde. Das wäre in groben Zügen die Antwort. Aber Sie wären verrückt, wenn Sie daran auch nur denken würden. Sie brauchen der Zeugenaussage nur zu widersprechen.«
Ich dachte über Carbone nach. Fünfunddreißig Jahre alt, sechzehn davon in der Army. Infanterie, Luftlandetruppe, Rangers, Delta-Force. Sechzehn harte Dienstjahre. Er hatte nur versucht, ein Geheimnis zu wahren, das ihm nie in die Hände hätte fallen dürfen, und versucht, seine Einheit vor einer drohenden Gefahr zu warnen. Beides konnte man nicht tadeln. Aber nun war er tot. Dann dachte ich an den fetten Typen in dem Striplokal. Aus dem Farmer machte ich mir nicht viel. Ein gebrochenes Nasenbein war keine große Sache. Aber den Dicken hatte ich übel zugerichtet. Andererseits war er nicht gerade einer der angesehensten Bürger North Carolinas.
Danach machte ich mir Gedanken über mich selbst. Ein Major, ein erfolgreicher Ermittler in einer Sondereinheit, ein Spitzenmann auf dem Weg nach oben.
»Okay«, sagte ich. »Holen Sie den Oberstleutnant wieder rein.«
Der Hauptmann stand auf und öffnete die Tür. Hielt sie dem Oberstleutnant auf. Nahm wieder neben mir Platz. Der Oberstleutnant setzte sich an den Schreibtisch.
»Gut«, sagte er. »Bringen wir die Sache zu Ende. Die Beschwerde ist grundlos, stimmt’s?«
Ich sah ihn an. Schwieg.
»Nun?«
Du wirst das Rechte tun.
»Die Beschwerde ist wahr«, antwortete ich.
Er starrte mich an.
»Die Beschwerde trifft zu«, erklärte ich. »In allen Einzelheiten. Die Sache ist exakt so passiert, wie Carbone sie geschildert hat.«
»Jesus«, sagte der Oberstleutnant.
»Sind Sie übergeschnappt?«, meinte der Hauptmann.
»Wahrscheinlich«, sagte ich. »Aber Carbone war kein Lügner. Das sollte nicht die letzte Eintragung in seiner Personalakte
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