08-Die Abschussliste
Schrank hinter ihm und ließ sie dort zwischen viel zertrümmertem Porzellan zurück. Ich stopfte die Marihuana-Zigaretten, das Amphetamin und die Crackwürfel mit einer symbolischen Rolle Geldscheine in seine Taschen. Dann verließ ich das Haus durch die Hintertür und ging durch den Garten zu meinem Wagen. Ich setzte mich auf den Fahrersitz, öffnete meinen Seesack und wechselte die Stiefel. Zog das in der Mojavewüste ruinierte Paar aus, und ein besseres an. Dann fuhr ich in Richtung Dulles Airport nach Westen, um den Mietwagen zurückzugeben. Die Bosse von Autovermietungen wissen, dass sich in Mietwagen aller möglicher Scheiß ansammelt. Deshalb stellen sie an den Rückgabeplätzen große Abfallcontainer auf. Sie hoffen, dass die Kunden so viel Anstand besitzen, einen Teil ihres Mülls selbst zu entsorgen. Damit sparen sie Lohnkosten. Macht jeder Wagen nur eine Minute weniger Arbeit, wirkt sich
das übers Jahr hinweg merklich auf die Personalkosten aus. Ich warf meine alten Stiefel in einen Container und die Beretta in einen anderen. Bei dem Umsatz, den Hertz auf diesem Flughafen machte, würden diese Behälter täglich geleert werden.
Den ganzen Weg zum Terminal legte ich zu Fuß zurück. Ich zeigte meinen Dienstausweis vor, zahlte mit einem Scheck und besorgte mir ein Flugticket nach Paris - für den gleichen Air-France-Nachtflug, den ich mit Joe gebucht hatte, als die Welt noch anders aussah.
Ich traf um acht Uhr morgens in der Avenue Rapp ein. Joe erklärte mir, die Wagen kämen um zehn. Also duschte und rasierte ich mich im Gästebad und bügelte anschließend meinen Dienstanzug sehr sorgfältig. Im Garderobenschrank fand ich Schuhputzzeug, mit dem ich mein Schuhwerk auf Hochglanz brachte. Dann zog ich mich an. Ich legte meine sämtlichen Orden an, alle vier Reihen. Ich achtete streng auf die für Orden in voller Größe vorgeschriebene Trageweise. Jede Reihe hing genau über den Bändern der Reihe darunter. Ich benutzte ein Staubtuch, um sie zu polieren. Dann putzte ich die übrigen Abzeichen, zum letzten Mal auch die Dienstgradabzeichen eines Majors. Anschließend ging ich ins Wohnzimmer und wartete.
Joe trug einen schwarzen Anzug. Ich verstand nicht viel von Klamotten, aber er sah neu aus. Der Stoff wirkte dünn und leicht. Vielleicht Seide. Oder Kaschmir. Er war elegant geschnitten. Dazu trug Joe ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte. Schwarze Schuhe. Er sah gut aus. Besser als je zuvor. Nur um die Augen herum hatten sich kleine Stressfalten gebildet. Wir schwiegen und warteten.
Um fünf vor zehn traten wir auf die Straße hinaus. Der Corbillard kam auf die Minute pünktlich vom Leichenhaus. Dahinter fuhr eine schwarze Citroën-Limousine vor. Wir stiegen ein, und kaum hatten sich die Türen geschlossen, folgte sie langsam dem Leichenwagen.
»Nur wir?«, fragte ich.
»Die anderen fahren direkt zum Friedhof.«
»Wer kommt alles?«
»Lamonnier«, antwortete er. »Einige ihrer Freunde.«
»Wo wird sie beigesetzt?«
»Père Lachaise«, sagte er.
Ich nickte. Der Père Lachaise war der größte und berühmteste Pariser Friedhof. Unsere Mutter hatte als ehemalige Widerstandskämpferin ein Anrecht darauf, dort beigesetzt zu werden. Vielleicht hatte Lamonnier dafür gesorgt.
»Es gibt ein Angebot für die Wohnung«, sagte Joe.
»Wie viel?«
»Deine Hälfte betrüge ungefähr sechzigtausend Dollar.«
»Die will ich nicht«, sagte ich. »Gib meine Hälfte Lamonnier. Sag ihm, dass er sie an bedürftige alte Männer verteilen soll. Er kennt bestimmt ein paar Organisationen.«
»Alte Soldaten?«
»Alte irgendwas. Leute, die zur rechten Zeit das Rechte getan haben.«
»Im Ernst? Vielleicht könntest du das Geld selbst brauchen.«
»Ich möcht’s lieber nicht haben.«
»Okay. Wie du willst.«
Ich sah nach draußen. Der Tag war trüb. Ein Grauschleier lag über dem Pariser Honiggelb. Die Seine wirkte bleigrau, wälzte sich träge dahin. Wir fuhren über die Place de la Bastille. Der Friedhof Père Lachaise lag im Nordosten. Wir stiegen in der Nähe des Kiosks aus, der Friedhofspläne mit den berühmten Gräbern feilbot. Auf dem Père Lachaise liegen alle möglichen Berühmtheiten: Molière, Balzac, Oscar Wilde, Chopin, Edith Piaf, Jim Morrison.
Am Friedhofstor warteten Leute auf uns. Die Concierge aus dem Haus unserer Mutter und zwei Frauen, die ich nicht kannte. Die Croque-morts nahmen den Sarg auf die Schultern, stabilisierten ihn kurz und marschierten dann gemessenen Schritts los. Joe und
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