08-Die Abschussliste
Seiten für Silvester und Neujahr. Die beiden ersten Listen schienen ziemlich kurz zu sein. Die Wachbucheintragungen waren chaotisch. Die ganze Nacht lang hatten Partygänger das Haupttor passiert. Aber nur ein Name kam auf allen drei Listen vor: Lt/Col. Andrea Norton. Summer hatte ihren Namen an den drei Fundorten umringelt. Ihre Notiz lautete: Rufen Sie mich wegen Norton an. Ich hoffe, dass mit Ihrer Mom alles okay ist.
Ich fand die alte Telefonnotiz mit Joes Telefonnummer und rief zuerst ihn an.
»Hältst du durch?«, fragte ich ihn.
»Wir hätten bleiben sollen«, antwortete er.
»Sie hat der Pflegerin einen Tag freigegeben«, sagte ich. »Sie wollte nur diesen einen Tag.«
»Wir hätten trotzdem bleiben sollen.«
»Sie will kein Publikum.«
Er gab keine Antwort.
»Ich habe eine Frage«, sagte ich. »Hast du in deiner Zeit im Pentagon ein Arschloch namens Willard gekannt?«
Joe sagte lange nichts, stöberte in seinem Gedächtnis. Er war schon längere Zeit nicht mehr beim Nachrichtendienst.
»Untersetzter, kleiner Mann?«, fragte er dann. »Kann nicht stillsitzen? Rutscht dauernd auf dem Stuhl herum, zupft an seiner Hose? Er war ein Schreibtischhengst. Ein Major, glaube ich.«
»Jetzt ist er Oberst«, sagte ich. »Er hat gerade das Hundertzehnte übernommen. Er ist mein neuer Kommandeur in Rock Creek.«
»Vom Nachrichtendienst zur Militärpolizei? Das ist vollkommen logisch.«
»Nicht für mich.«
»Das ist die neue Theorie«, meinte Joe. »In diesem Punkt kopieren sie die Wirtschaft. Sie glauben, dass Ahnungslose gut sind, weil sie nicht an der Erhaltung des Status quo interessiert sind. Sie glauben, dass diese Leute neue Perspektiven eröffnen.«
»Irgendwas, das ich über diesen Menschen wissen sollte?«
»Du hast ihn als Arschloch bezeichnet, also scheinst du ihn schon zu kennen. Er war clever, aber auch ein Arschloch, das steht fest. Rachsüchtig, kleinlich, pedantisch, ausgesprochener Bürokrat, kennt alle dienstlichen Interna, sorgt nur für sich selbst, erstklassiger Arschkriecher, weiß immer genau, woher der Wind weht.«
Ich schwieg.
»Im Umgang mit Frauen hoffnungslos«, sagte Joe. »Das weiß ich noch gut.«
Ich sagte nichts.
»Er war ein Musterbeispiel für die Leute, von denen wir gesprochen haben«, erklärte Joe. »Er arbeitete in der Abteilung Sowjetunion. Soweit ich mich erinnere, hat er die Panzerproduktion und den Treibstoffverbrauch überwacht. Ich glaube, er hatte irgendeine Formel entwickelt, mit der sich aus dem Treibstoffverbrauch errechnen ließ, welche Ausbildung die sowjetische Panzertruppe erhielt. Damit war er ungefähr ein Jahr lang eine heiße Nummer. Aber ich glaube, er hat die Zeichen der Zeit erkannt und rechtzeitig die Kurve gekratzt. Das solltest du auch tun, zumindest darüber nachdenken. Wie wir’s unterwegs besprochen haben.«
Ich äußerte mich nicht.
»Jedenfalls solltest du dich vorsehen«, meinte Joe. »Ich würde Willard nicht als Boss haben wollen.«
»Ich komme schon zurecht«, entgegnete ich.
»Wir hätten in Paris bleiben sollen«, sagte er und legte auf.
Ich fand Summer im O Club in der Bar. Sie hatte eine Flasche Bier in der Hand und unterhielt sich mit mehreren W2. Als sie mich eintreten sah, ließ sie die anderen stehen und kam auf mich zu.
»Garber ist nach Korea versetzt worden«, sagte ich. »Wir haben einen Neuen.«
»Wen?«
»Einen Oberst Willard. Vom Nachrichtendienst.«
»Ist er für diesen Job qualifiziert?«
»Nein. Er ist ein Arschloch.«
»Macht Sie das nicht sauer?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Er befiehlt uns, die Finger vom Fall Kramer zu lassen.«
»Tun wir das?«
»Er befiehlt mir, nicht mehr mit Ihnen zu reden. Er sagt, dass er Ihr Versetzungsgesuch ablehnen wird.«
Sie war sichtlich betroffen und blickte zu Boden.
»Scheiße«, meinte sie.
»Tut mir Leid«, sagte ich. »Ich weiß, dass Sie sich diese Versetzung gewünscht haben.«
Sie sah mich wieder an.
»Ist das mit dem Fall Kramer sein Ernst?«, fragte sie.
Ich nickte. »Er meint alles ernst. Er hat mich auf dem Flughafen verhaften lassen, um das zu unterstreichen.«
»Verhaften?«
Ich nickte erneut. »Jemand hat mich wegen der beiden Typen auf dem Parkplatz verpfiffen.«
»Wer?«
»Einer der Soldaten, die zugesehen haben.«
»Einer von unseren Leuten? Wer?«
»Weiß ich nicht.«
»Scheiße!«
Ich nickte. »Das ist mir noch nie passiert.«
Sie schwieg wieder.
»Wie geht’s Ihrer Mom?«, fragte sie dann.
»Sie hat sich das Bein
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